Kaisergewänder unter der Lupe

Exkursion der Fachgruppe Textil zur Sonderausstellung nach Bamberg vom 3. bis 4. September 2021 Am 3. und 4. September konnte die verschobene Exkursion der Fachgruppe Textil zur Sonderausstellung „Kaisergewänder unter […]

Exkursion der Fachgruppe Textil zur Sonderausstellung nach Bamberg vom 3. bis 4. September 2021

Am 3. und 4. September konnte die verschobene Exkursion der Fachgruppe Textil zur Sonderausstellung „Kaisergewänder unter der Lupe“ im Diözesanmuseum Bamberg stattfinden. Die Anregung dazu erfolgte durch unsere am Projekt beteiligte Bamberger Kollegin, die selbstständige Textilrestauratorin Sibylle Ruß, und das gastgebende Diözesanmuseum. Es waren ein kleiner Vortragsblock und Fachführungen in der Ausstellung vorgesehen, die die Ergebnisse eines Forschungsprojekts präsentiert. Kurzfristig ins Programm aufgenommen wurde ein Abstecher in die benachbarte Neue Residenz. Sabine Langhorst, Textilrestauratorin in der Bayerischen Schlösserverwaltung, bot textilspezifische Einblicke in die jüngste denkmalpflegerische Maßnahme, die Restaurierung der Fürstbischöflichen Wohnräume.

 

Ankommen und Einsteigen

Den Auftakt bildete um 9.30 Uhr die freundliche Begrüßung im Dompfarrheim mit Getränken und frischem Gebäck für die teils weit angereisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Im sonnigen Innenhof gab es Luft und Zeit, die länger vermissten Kontakte wieder aufzunehmen, sich untereinander zu begrüßen und kennenzulernen. Der Tagungsraum bot den etwa 24 Teilnehmenden großzügig Platz und eine helle Atmosphäre. Dort gab Sibylle Ruß, die in dem Forschungsprojekt mit ihrer Mitarbeiterin Anne Dauer die Textilien konservatorisch betreut und untersucht hatte, die thematische und organisatorische Einführung.

 

Drei Blickwinkel gut verzahnt – die Vorträge

Drei Vorträge führten in die kunsthistorische, textiltechnologische und naturwissenschaftliche Forschungsarbeit ein, wobei auch die enge Zusammenarbeit und Verzahnung der Bereiche deutlich wurde. Von 2015 bis 2020 waren der Sternenmantel Heinrichs II., der Blaue und der Weiße Kunigundenmantel, der Reitermantel, die Tunika und das Rationale (ein liturgisches Würdezeichen) im wahrsten Sinne des Wortes neu unter die Lupe genommen worden. Die bisherigen Erkenntnisse über diese bedeutenden Gewänder aus dem frühen 11. Jahrhundert sollten durch zeitgemäße technologische und naturwissenschaftliche Analysen geprüft und erweitert werden. Dabei wurde auch die Verehrungs- und Restaurierungsgeschichte der heiligen Gewänder und die als zugehörig aufbewahrten Textilien einbezogen.

Kunst und Verehrung

Dr. Holger Kempkens, bis 2020 Direktor des Diözesanmuseums Bamberg, heute in entsprechender Position in Paderborn, stellte die Gewänder in ihrer kunstgeschichtlichen Bedeutung vor. Dadurch, dass die Gewänder seit Anbeginn ihrer Existenz Kaiser (Heil. Röm. Reich) Heinrich II. (973/978-1024) und seiner Frau Kunigunde (~980-1033) zugeordnet wurden, erlangten sie mit deren Heiligsprechung 1146 und 1200 Reliquienstatus. Ihrer Verehrung verdanken wir zum einen, dass die wertvollen Stickereien überhaupt erhalten blieben, zum anderen, dass sie mehrmals restauratorisch behandelt und, wie ehemals leider üblich, auf neuen Grund übertragen wurden.

 

Goldstickerei und Spuren der Objektgeschichte

Sibylle Ruß referierte über ihre intensive technologische Befundung der sechs Gewänder und der im Domschatz dazu aufbewahrten Materialien, die bei der letzten Übertragung in den 1950er Jahren von den Gewändern getrennt wurden. Unter anderem wurde festgestellt, dass sich in den Goldlahn-Anlegearbeiten die ganze Spannbreite der Gestaltungsmöglichkeiten darstellt, die durch Richtungswechsel der Lahne und Rhythmisierung/ Positionierung der Überfangstiche erzielt werden kann. Über die Restaurierungsberichte der früheren Maßnahmen hinaus konnten wesentliche Erkenntnisse zur ehemaligen Funktion heute getrennter Fragmente gewonnen werden. Einige bisherige Deutungen und Rezeptionen erscheinen nun prüfenswert.

 

Materialanalysen

Ursula Drewello, die in Bamberg ein renommiertes naturwissenschaftliches Untersuchungslabor führt, stellte ihre Ergebnisse der Materialanalysen vor. Die Darstellung konzentrierte sich vor allem auf die Struktur der Goldlahne und ihre chemische Zusammensetzung, auf die Farbstoffe wesentlicher Originalfäden (analysiert von Ina Vanden Berghe, Brüssel), wie dem ersten Trägergewebe und den roten Anlegefäden der Goldstickerei, und auf die Zusammensetzung der Vorzeichnungen. Auf dem Reitermantel wurde Auripigment identifiziert. Hatte die Zeichnung ehemals auch gestalterische Funktion?

Die anschließende Diskussionszeit nutzten die Teilnehmer.innen für interessierte Fragen, drückten ihre Anerkennung bezüglich der wertvollen technologischen und materialanalytischen Befunde aus und tauschten mit den Referent.innen auch ihre eigenen Erfahrungen.

 

Der Blick auf das Verborgene - die Sonderausstellung

Am Freitagnachmittag und Samstag gaben Frau Ruß, Frau Dauer, Frau Drewello und Herr Dr. Kempkens detailreiche Fachführungen in der Ausstellung. Neben den sechs Gewändern verdeutlichen wertvolle Leihgaben, wie die Heiligen-Ewalde-Decke aus St. Kunibert in Köln, den kunsthistorischen Kontext. Den Gewändern sind ihre noch erhaltenen spätmittelalterlichen Trägerstoffe gleichwertig zur Seite gestellt, deren Gewebe, Farben und Gewandschnitte sich zum Teil erheblich von den heutigen unterscheiden. Als Zeugnisse des 15. Jhds sind sie von ganz eigenem Wert und für die „Originalität“ der Objekte eine unverzichtbare Ergänzung. In separaten Räumen sind die naturwissenschaftlichen Aspekte anschaulich dargeboten und die Fülle auch kleinteiliger Textilien, die zu dem Gesamtkomplex gehören, präsentiert.

Ausblick und Dank

Die Arbeitsergebnisse werden publiziert und bieten eine neue Basis zur weiteren Klärung von Herkunft und Entstehung und Bearbeitungsgeschichte der Objekte an. Zwei Bände (Kunstgeschichtlicher Band und Ausstellungskatalog) der geplanten dreibändigen Publikation sind bereits erschienen, der technologisch-naturwissenschaftliche folgt.

Durch die geleistete Forschung und ihre Präsentation wird ein wichtiges Stück Geschichte der Textilien und ihrer Restaurierung lebendig und bietet viel Anregung zum Vernetzen und Weiterforschen. Wir bedanken uns herzlich für die engagierte Darbietung, die Fülle an geteiltem Wissen und die sehr gute Organisation der Veranstaltung, die uns auch die seltene Gelegenheit bot, den so wichtigen kollegialen Austausch zu pflegen.

Obendrauf ein Blick in die Denkmalpflege – historische textile Raumausstattungen

Elf Kolleg.innen nutzten am Samstag von 9-11 Uhr auch die Gelegenheit, die Neue Residenz Bamberg auf der anderen Seite des Domplatzes zu besuchen. 2020 wurde die große Restaurierungsmaßnahme in den dortigen Fürstbischöflichen Wohnräumen abgeschlossen, die für die Bayerische Schlösserverwaltung und das staatliche Bauamt Bamberg eine komplexe denkmalpflegerische Aufgabe darstellte. Darin hatte ich als Fachrestauratorin der Bayerischen Schlösserverwaltung die Maßnahmen an den historischen Ausstattungstextilien des Appartements konzeptionell beratend und ausführend betreut. Nun habe ich mich sehr gefreut, einem Kolleg.innenkreis in einer zweistündigen Führung die vielfältigen textilen Objekte der Raumausstattung vorstellen und einen Überblick über die komplexen Maßnahmen vermitteln zu dürfen. Ich bedanke mich sehr herzlich für das Interesse und die engagierte Teilnahme der Gruppe und bei den Veranstalterinnen der Exkursion, insbesondere bei Sibylle Ruß, dafür, dass mein Angebot in den Ablauf des Samstags integriert werden konnte.

München, 09.09.2021
Sabine Langhorst