Teil 35 der Serie „Mit Kalkül“: Rechte und Pflichten von freien Mitarbeiter:innen in der Restaurierung

Freie Mitarbeiter:innen in der Restaurierung gehen zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn häufig mit hohen Erwartungen an ihre Arbeit heran. Sie stellen sich vor, dass sie nach eigenem Wissen und Gewissen am Objekt tätig werden können. Sie möchten ihre Fachkenntnisse bestmöglich einbringen. Doch die Realität sieht für freie Mitarbeiter:innen häufig anders aus.

Freie Mitarbeiter:innen in der Restaurierung gehen zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn häufig mit hohen Erwartungen an ihre Arbeit heran. Sie stellen sich vor, dass sie nach eigenem Wissen und Gewissen am Objekt tätig werden können. Sie möchten ihre Fachkenntnisse bestmöglich einbringen. Doch die Realität sieht für freie Mitarbeiter:innen häufig anders aus. Statt eigenverantwortlich arbeiten zu dürfen sind die Handlungsspielräume durch enge Rahmenbedingungen und klare Vorgaben eingeschränkt. Auch liegen die Stundenhonorare deutlich niedriger als bei den Kolleg:innen, die als Soloselbstständige mit unternehmerischem Risiko direkt für Auftraggeber:innen tätig sind.

Symbolbild für Zusammenerbeit, Foto: pixabay
Symbolbild für Zusammenerbeit, Foto: pixabay

Faire Zusammenarbeit

Oft erwarten Auftraggeber:innen, dass die freien Mitarbeiter:innen zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Ort erscheinen und nach dem Konzept des Unternehmens die Restaurierung ausführen, obwohl sie in den Arbeitsablauf des Unternehmens formal nicht eingegliedert sein dürfen. Auf der anderen Seite sollen sie Werkzeuge selbst mitbringen. Das erscheint vielen Berufsanfänger:innen widersprüchlich, und oft sind die Umstände dies auch.

Als frei Mitarbeitender gibt es Vor- und Nachteile, dasselbe gilt für beauftragende Unternehmen. Agieren beide Seiten fair, kann das Arbeiten am Objekt ein fruchtbares Miteinander werden. Versuchen die Parteien aber jede für sich ausschließlich die eigenen Vorteile zu nutzen, gerät das Konstrukt „Freie Mitarbeit“ in eine Schieflage. Im Idealfall wird frei Mitarbeitenden der Einstieg in den Arbeitsalltag nach dem Studium erleichtert, weil sie nicht sofort für alles komplett allein verantwortlich sind und auf der anderen Seite können Arbeitgeber:innen punktgenau projektbezogen Fachleute für eine gewisse Zeit beschäftigen.

Läuft es schlecht für die freien Mitarbeiter:innen, erhalten sie dezidierte Arbeitsaufträge und Weisungen wie Angestellte, haben aber kein Anrecht auf Urlaub und müssen die Sozialabgaben vollständig selbst tragen. Sie werden angehalten ihre Arbeitsmaterialien mitzubringen und für die eigene Arbeitssicherheit zu sorgen. Picken sich die freien Mitarbeiter:innen die Rosinen aus ihrem formal recht unabhängigen Status, gliedern sie sich nicht ins Team ein, nehmen keine Ratschläge von Erfahrenen an und erscheinen zu willkürlichen Zeiten am Arbeitsplatz, so dass die Unternehmen nicht wirklich auf ihre Mithilfe zählen können.

Das Verständnis der eigenen Rechte und Pflichten der freien Mitarbeiter:innen sowie der Erwartungen der Auftraggeber ist daher essenziell, um eine gute Balance zwischen fachlicher Freiheit und den Anforderungen der Auftraggeber:innen zu finden. Nur so können freie Mitarbeitende ihre Arbeit erfolgreich und zufriedenstellend gestalten.

Was genau ist „freie Mitarbeit“?

Daher ist es wichtig zuerst zu klären, was genau „freie Mitarbeit“ bedeutet. Nach dem Arbeitsrecht sind es selbstständige Arbeitskräfte, die auf der Basis eines Dienst- oder Werkvertrages Aufträge selbstständig und in der Regel persönlich ausführen, ohne dabei Arbeitnehmer:in oder Auftraggeber:in zu sein.

Freie Mitarbeitende können stundenweise oder pauschal für die Erledigung eines Restaurierungsauftrags bezahlt werden. Ersteres wird in der Regel durch einen Honorar- oder Dienstvertrag geregelt. Mit dem sogenannten Werkvertrag schulden freie Mitarbeiter:innen das „getane Werk“, also den Erfolg. Das Unternehmen hat, wenn es freie Mitarbeiter:innen beschäftigt, den Vorteil, sein Unternehmensrisiko durch geringere Personalkosten zu senken.

Grundsätzlich gilt, dass freie Mitarbeitende in der Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen relativ frei und formal weder in zeitlicher, örtlicher noch fachlicher Hinsicht an die Weisungen der Auftraggebenden direkt gebunden sind. Sie sind gewöhnlich nicht in die Organisationsstruktur der Auftraggebenden eingegliedert. Je nach den technischen Möglichkeiten können Arbeiten teilweise von der eigenen Wohnung aus oder an einem beliebigen Ort ausgeübt werden, was in der Restaurierung nicht immer möglich ist (dazu später mehr).

Wesentliches Kennzeichen der freien Mitarbeit ist die Möglichkeit, für mehrere Auftraggeber:innen tätig zu sein. Ob dies genutzt wird, insbesondere, ob gleichzeitig oder nacheinander, können die frei Mitarbeitenden nach Marktchancen und Zeit frei entscheiden.  Arbeitnehmer:innen hingegen haben eine Treuepflicht zu erfüllen. Sie müssen ihre Arbeitsleistung im Regelfall uneingeschränkt einem Arbeitgeber/einer Arbeitgeberin zur Verfügung stellen.

Auftraggebende können frei Mitarbeitende flexibler einsetzen als Angestellte. Denn sie genießen keinen Kündigungsschutz, da sie meist nur für einen speziellen Auftrag oder ein Projekt vertraglich gebunden werden. Auch werden für sie keine Sozialabgaben geleistet. Im Gegensatz zu den gesetzlich bzw. tariflich geregelten Verträgen mit einem Arbeitnehmer/einer Arbeitnehmerin können Arbeitgeber:innen die Bedingungen im Einzelfall frei gestalten. Je nach Projekt lassen sich ausgewiesene Spezialist:innen für ein Restaurierungsprojekt gewinnen. So profitiert ein Unternehmen im besten Fall von der Expertise wechselnder freier Mitarbeiter:innen.

Scheinselbstständigkeit durch Vertragsgestaltung vermeiden

Sowohl für freie Mitarbeiter:innen als auch für Unternehmen, die sie verpflichten, gibt es bei diesem Beschäftigungsmodell Vor- und Nachteile. Ein Damoklesschwert ist der Verdacht der Scheinselbstständigkeit. Ist eine freie Mitarbeiterin beispielsweise zu eng an ihren Arbeitgeber und dessen Unternehmen gebunden, drohen letzterem Nachforderungen der Deutschen Rentenversicherung, Geldbußen und im schlimmsten Fall muss sogar eine Freiheitsstrafe verbüßt werden. Wenn die Kosten für das Unternehmen sehr hoch werden, verlieren freie Mitarbeiter:innen in der Regel ihren Auftrag. Sie selbst müssen keinerlei Strafe fürchten. Dennoch sollten beide Parteien – Unternehmen und freie Mitarbeitende – einige wichtige Punkte beachten.

Anzuraten ist ein individuell gestalteter auf das konkrete Restaurierungsprojekt bezogene Arbeitsvertrag, der neben möglichst exakten Leistungsbeschreibungen Formulierungen zur Eigenständigkeit enthalten sollte. Arbeitszeit, Arbeitsweise und Arbeitsmittel sollten weitgehend selbst bestimmt werden können. Regelmäßig feste Arbeitszeiten könnten ein Hinweis auf Scheinselbstständigkeit sein. Außerdem sollte es einen Passus zur Auftrags- und Weisungsfreiheit geben. Sie sollten Ihre Aufträge weitestgehend autark planen und durchführen. Wenn die Auftraggeber:innen detaillierte Anweisungen geben, wann, wo und wie zu arbeiten ist, könnte dies problematisch werden.

Idealerweise arbeitet man für mehrere Kunden, um seinen Status der Selbstständigkeit zu unterstreichen. Argumente dafür sind auch das Nutzen eigener Werkzeuge und Materialien. Sie sollten regelmäßig Rechnungen stellen und keine Lohn- oder Gehaltsabrechnungen erhalten. Es ist immer ratsam, im Zweifelsfall eine rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um sicherzustellen, dass Ihre Selbstständigkeit korrekt gestaltet ist. So kann man seine Arbeit in der Restaurierung mit gutem Gewissen ausüben und mögliche Risiken minimieren.

Besonderheiten als „Freie“ auf einer Denkmal-Baustelle

Wenn eine Kirche zu restaurieren ist, kann ich als freie Mitarbeitende meinen Arbeitsplatz nicht selbst bestimmen, sondern der Ort ist festgelegt und ebenso sind dies die Arbeitszeiten, wenn im Team gearbeitet wird. Beides sind Kriterien, die auf Scheinselbstständigkeit hinweisen. Allerdings muss dies allein noch kein Problem sein, denn in diesem konkreten Fall sind bestimmte Abläufe und Arbeitsbedingungen am Denkmal vorgegeben. Gerade auch dann, wenn gemeinsam genutzte Maschinen im Einsatz sind.

Das Festlegen von Ort und Zeit sind also nicht automatisch ein Indiz für Scheinselbstständigkeit, sondern es gilt den Gesamtkontext zu betrachten. Welchen Charakter hat die Tätigkeit, die ausgeübt wird? Eher den von Selbstständigen oder den von Angestellten? Hier wäre zum Beispiel das Mitbringen eigener Werkzeuge ein gutes Zeichen für Selbstständigkeit, da es die Unabhängigkeit unterstreicht. Wichtig ist, dass im Vertrag keine Weisungen bezüglich der Arbeitszeit und Arbeitsweise enthalten sind, die „Freie“ in eine abhängige Position bringen.

Völlige Selbstbestimmung beim Ausüben der Restaurierung gibt es selten bei Großprojekten. Denn durch Planer:innen wird in der Regel ein Gesamtkonzept vorgegeben, dem alle freien Mitarbeitenden folgen. Dies ist bei solchen Projekten üblich und notwendig, um ein einheitliches Ergebnis zu erzielen. Dass man in einem kleinen Rahmen selbst entscheiden kann, was am Objekt zu tun ist, bleibt jedoch auch in solchen Konstellationen ein wichtiger Punkt. Es zeigt, dass es eine gewisse Eigenständigkeit in der Ausführung gibt.

Wenn man hauptsächlich nach vorgegebenen Anweisungen arbeitet, wenig eigene Entscheidungsspielräume hat und in die Organisation des Projekts eingebunden ist, könnte das auf eine abhängige Beschäftigung und damit Scheinselbstständigkeit hindeuten. Falls man aber gleichzeitig in seinem Verantwortungsbereich unabhängig restauriert, eigene Entscheidungen z. B. bei der Verwendung von bestimmten Materialien oder Techniken trifft und nur grobe Vorgaben befolgt, spricht das wieder eher für eine selbstständige Tätigkeit. Wichtig ist, allgemein die Kontrolle über die eigene Arbeitsweise zu behalten. Falls es Unsicherheiten darüber gibt, wie genau eine Arbeitssituation einzustufen ist, kann eine rechtliche Beratung hilfreich sein, um mögliche Risiken zu klären.

Die Bezahlung der freien Mitarbeit

Auftraggeber:innen sind frei in der Bezahlung ihrer freien Mitarbeitenden. Es existieren keinerlei Regelungen.

Der Verband der Restauratoren, der 2022 Honorarempfehlungen für Restaurator:innen auf seiner VDR-Website veröffentlicht hat, arbeitet zurzeit an einer Erweiterung dieser Empfehlungen. Es werden Honorarzonen für freie Mitarbeitende entwickelt, um eine Struktur in diesen recht unübersichtlichen Bereich zu bringen.

Denn es gibt sowohl Studierende, die in Werkstätten und Ateliers tätig sind und sich mit ihrer assistierenden Tätigkeit Geld für das Studium verdienen, als auch Bachelor- und Masterabsolventen der Konservierung-Restaurierung, die es vorziehen, projektweise als freie Mitarbeiter:innen für verschiedene Unternehmer:innen tätig zu sein.

Das durchschnittliche Stundenhonorar für Studierende, die als freie Mitarbeitende im Nebenjob tätig sind, variiert je nach Branche, Aufgabenbereich und Region. Allgemein sollten freie Mitarbeiter:innen darauf achten, dass ihr Honorar nicht unter dem Mindestlohn (zurzeit bei 12,82 Euro brutto) liegt.

In der Restaurierung variieren die Honorare für freie Mitarbeitende stark, abhängig von Erfahrung, Spezialisierung, Projektumfang und Auftraggeber:in. Das durchschnittliche Stundenhonorar für Restaurator:innen in freier Mitarbeit in Deutschland liegt zwischen 30 und 80 Euro. Erfahrene Spezialisten oder bekannte Experten können deutlich mehr verdienen, bis zu 100 Euro oder mehr pro Stunde. Für Einsteiger:innen oder weniger spezialisierte Tätigkeiten liegt das Honorar eher im unteren Bereich.

Für Restauratoren mit Bachelorabschluss liegen die üblichen Stundenhonorare meist im Bereich von etwa 20 bis 40 Euro, je nach Erfahrung, Spezialisierung und Projektart. Bei spezialisierten Restaurator:innen mit Masterabschluss liegt das durchschnittliche Stundenhonorar meist zwischen 50 und 100 Euro. Für größere Projekte oder bei renommierten Experten kann das Honorar auch darüber liegen, manchmal bis zu 120 Euro pro Stunde.

Darüber hinaus arbeiten viele Restaurator:innen projektbezogen, vereinbaren also eine Pauschale für ein bestimmtes Projekt, anstatt nach Stunden abzurechnen. Weil häufig unvorhergesehene Schäden im Nachhinein an Objekten freigelegt bzw. entdeckt werden, ist es ratsam, diese Möglichkeit in die Kalkulation miteinzuberechnen.