Arbeitssicherheit beim Verband der Restauratoren

Alle Restaurator:innen treffen in ihrem Arbeitsleben auf Gefahrensituationen oder gehen mit gesundheitlich bedenklichen Stoffen um. Sich möglicher Gefahren bewusst zu sein und für die entsprechende Sicherheit beim Arbeiten zu sorgen, ist daher ein Muss für die Berufsgruppe. Der 2020 gegründete Arbeitsausschuss Arbeitssicherheit möchte dazu beitragen, die Restaurierenden und die für die Gesundheit von Mitarbeiter:innen und Auftragnehmer:innen Verantwortlichen für das Thema zu sensibilisieren.

Über  Vorschläge und aktive Mitgestaltung aus dem Kreis der Restaurator:innen freuen wir uns. Entstehen soll ein Netzwerk, das den kollegialen Austausch fördert. Auch sollen praktische Handlungsanleitungen entwickelt und die Zusammenarbeit mit den Unfallkassen und Berufsgenossenschaften weiter verstärkt werden.

Vorsitzende und Kontakt

Den Vorsitzenden ist besonders wichtig, die Diskussion zum Thema auf eine sachliche Ebene zu bringen und auch die Leitungsebenen der Museen und Ämter einzubinden.

  • Dr. Boaz Paz: Der Chemiker ist Gründer der Paz Laboratorien für Archäometrie, hat sich auf  die naturwissenschaftliche Untersuchung von Kunst- und Kulturgut sowie Analysen von Museumsschadstoffen und die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen spezialisiert.
  • Dirk Sturmfels: Der Restaurator ist spezialisiert auf die Fachrichtungen Metall, technisches Kulturgut und Kunsthandwerk und seit über 30 Jahren in der Planung und Realisation von restauratorischen Großprojekten fachübergreifend tätig. Seit 2019 ist er VDR-Präsidiumsmitglied
  • Petra Bausch: Die wissenschaftliche Restauratorin ist Fachbereichleiterin Sammlungspflege, präventive Konservierung und Restaurierung  bei den Kunstsammlungen des Bistums Regensburg.

Weitere Mitglieder: Hanno Alsen, Brigitte Brühl, Daniela Bruder, Ines Frontzek, Wiebke Hattendorf, Tatjana Held, Martin Höpfner, Dr. Thomas Missel, Anja Romanowski, Dr. Stefanie Scheerer, Dirk Sturmfels, Farina Werland, Ina Wohlfahrt-Sauermann, Maruchi Yoshida

Kontakt: info [at] estauratoren.de

Gefahrenpotentiale in der Konservierung und Restaurierung

 

Schadstoffbelastetes Kulturgut

Kunst- und Kulturgut, das mit Schad- und Giftstoffen belastet ist oder daraus besteht, befindet sich in sehr vielen Sammlungen, an Baudenkmalen und in Privathaushalten. Das größte Problem ist, dass die Kontamination häufig unerkannt bleibt und den Gefahren für Mensch und Umwelt nicht entgegnet wird. Aus dieser Unwissenheit heraus schenken Eigentümer und Verantwortliche dieser Sorge häufig noch zu wenig Aufmerksamkeit. Dabei zeigen Studien zu vereinzelten Themen in den letzten Jahren wie durch gezielte Auseinandersetzungen mit den Risiken restauratorische Handlungsanweisungen bis hin zu neuen Dekontaminationsverfahren entwickelt und umgesetzt werden können.

Biozide 

Zum Schutz und Erhalt von Kulturgütern wurde eine Vielzahl chemisch unterschiedlicher  Biozide gegen Ungeziefer, Schädlinge und mikrobiellen Befall eingesetzt. Arsen, Quecksilber und später auch im großen Stil industriell hergestellte organische Biozid-Wirkstoffe wie zum Beispiel Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT), Pentachlorphenol (PCP) und g-Hexachlorcyclohexan (Lindan) fanden noch bis in die 1990er Jahre hinein für die „Konservierung“ von Möbeln, Textilien, Präparaten, Herbarien, Archivalien oder völkerkundlichen Objekten Anwendung.

Giftige Pigmente und andere toxische Substanzen

Auch bei der Herstellung von Artefakten selbst kam es zur Verwendung toxischer Substanzen: Das arsenhaltige Schweinfurter Grün (Kupferarsenit) zum Beispiel fand in Form von Wandanstrichen und auf Tapeten weite Verbreitung. Bereits in den 1840er Jahren warnte man vor der Freisetzung des Giftstoffes in die Umgebungsluft, denn Arsen kann Nervenschäden, Übelkeit und sogar tödlicher Vergiftungen hervorrufen. Bleiweiß war aufgrund seinen Glanzes und seiner Deckkraft über Jahrhunderte hinweg das Pigment der Wahl für Schriften, Ölmalereien, hölzerne Kirchenausstattungen und teilweise auch Wandmalereien. Die Aufnahme von Blei kann zu schweren gesundheitlichen Problemen führen, insbesondere bei längerer Exposition. Blei und Arsen kamen auch in anderen Pigmenten vor, darunter Orpiment (Arsen(III)-sulfid) und Chromgelb (Bleichromat). Weitere toxische Pigmente, die einst Verwendung fanden, sind Zinnoberrot (Quecksilber(II)-sulfid), Kadmiumgelb (Kadmiumsulfid), Cinnabar (Quecksilber(II)-sulfid) und Antimonweiß (Antimontrioxid). Zifferblätter von Uhren wurden bis in die 1960er Jahre hinein mit radioaktiven Substanzen (Radium-226 und Promethium-147) und bis Mitte der 1990er Jahre mit Tritium angereicherten Farben bestrichen, damit sie nachts leuchten. Historische Spiegel erhielten eine Beschichtung aus Quecksilber-Zinn-Amalgam. In vielen technischen Gütern und Gebäuden wurde Asbest verbaut; diese faserförmig kristallisierten Silikat-Minerale befinden sich heute auch an Baudenkmalen in Fußböden, Dämmplatten, Dächern usw., aber auch in technischem Kulturgut wie Radios und anderen elektrischen Geräten und Maschinen, Autoreifen und sogar Textilien oder Knöpfen. In Holzwerkstoffen, Bauprodukten und Möbeln kann zudem als Klebstoff krebserregendes Formaldehyd enthalten sein.

Schimmelpilze und bakterieller Befall

Schimmelsporen und bakterieller Befall spielen ebenfalls eine Rolle. Bei Schimmelpilzbefall sollte immer geprüft werden, ob reizende bzw. entzündlich wirkende Schimmelpilz-Spezies zum Wachstum gelangt sind. Expert:innen können zwischen nicht-infektiös und nicht-humantoxisch wirkenden Schimmelpilzen (Risikogruppe 1 =„nicht infektiöse Mikroorganismen“) und sogenannten thermotoleranten Schimmelpilzen unterscheiden, die aus mehreren Gründen als hygienisch problematisch angesehen werden können. Gesundheitlich abträgliche Erfahrungen wurden hier z.B. mit Aspergillus fumigatus gemacht. A. fumigatus ist für seine besonders ausgeprägten reizenden Wirkungen bekannt und in die Risikogruppe 2 („infektiös“) eingestuft. Dieser Pilz zeichnet sich neben diesen gesundheitlich bedeutenden Eigenschaften durch eine massenhafte Bildung verhältnismäßig kleiner, zu sehr großen Anteilen vereinzelt in die Luft übergehender und daher sehr gut schwebfähiger Sporen aus, die beim Einatmen tief in Lungenalveolen vordringen können und hier ihre reizenden Wirkungen entfalten können.

Toxisches Erbe wie dieses schlummert heute in vielen Museen, Schlössern, Archiven und Privatsammlungen. Je nachdem in welcher Konzentration die Substanzen vorliegen, kann durch dermale, orale und/oder inhalative Aufnahme beispielsweise von Biozid-Wirkstoffen eine Gefährdungssituation vorliegen. Diese wird durch den direkten Kontakt mit kontaminiertem Kulturgut, Aufwirbelung von kontaminierten Stäuben oder durch inhalative Aufnahme luftgetragener Schadstoffe ermöglicht. Weitere Faktoren, die neben der Art und  der Konzentration der Schadstoffe entscheidend zur gesundheitsschädigenden Wirkung beitragen, sind die Aufenthaltsdauer sowie das jeweilige Reinigungs- und  Belüftungskonzept für die umgebenden Räume.

Einsatz von schädigenden Stoffen beim Restaurieren

Beim Konservieren und Restaurieren gehen Restauratori:nnen ebenfalls öfters mit Gefahrstoffen um. Teils kommen Lösungs- und Bindemittel zum Einsatz, die Vorsichtsmaßnahmen wie das Tragen von Handschuhen und Schutzmasken und/oder Absauganlagen erfordern – auch wenn in der Restaurierung üblicherweise nur recht kleine  Mengen solcher Substanzen zum Einsatz kommen. Dazu zählen zum Beispiel organische Lösungsmittel wie Ketone, Alkohole oder aromatische Kohlenwasserstoffe, die neurotoxisch wirken und Erkrankungen des Nervensystems (Polyneuropathien) oder Gehirns (Enzephalopathien) hervorrufen können. Auch kommen für Restaurierungszwecke vereinzelt toxische Pigmente zum Einsatz. Dazu zählt beispielsweise Bleiweiß, dessen Anwendung mit Ausnahme der Restaurierung verboten ist.
Genauso spielen Stäube bei vielen Arbeitsgängen eine Rolle, etwa beim Schleifen von Hölzern oder beim Reinigen von Oberflächen aller Art. Resultierende Atemwegserkrankungen und die kanzerogene Wirkung sind hinlänglich bekannt.

Weitere Gefährdungen und Belastungen durch die Arbeitssituation

Bei Untersuchungen mit ultraviolettem Licht (UV) oder Röntgen ist aufgrund der schädigenden Strahlen Arbeitsschutz ebenfalls von Bedeutung. Genauso sind Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten, wenn auf Baustellen in großer Höhe gearbeitet wird oder in den Ateliers und Werkstätten Maschinen bedient werden.
Zur Arbeitssicherheit gehört natürlich auch das Arbeiten in weniger gefährlichen Situationen – wie sie auch in der Restaurierung alltäglich sind: zum Beispiel die Ergonomie am Bildschirm, das Tragen von Lasten oder auch die psychische Belastung am Arbeitsplatz.

Vorbeugende Arbeitsschutzmaßnahmen

Die Ausführungen zeigen, wenngleich sie keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, dass in vielen Arbeitssituationen Restaurator:innen besonders achtsam sein sollten. Im Verdachtsfall sollten sie Vorsorgemaßnahmen treffen und Schadstoffanalysen vornehmen lassen, damit die durch die Gefahrstoffverordnung vorgeschriebenen Arbeitsschutzmaßnahmen eingehalten werden. Auftraggeber:innen und Vorgesetzte müssen hier zusammen mit den Beschäftigten, den Kolleg:innen und Externen ins Gespräch kommen hinsichtlich der Verantwortung aller gegenüber der Gesundheit und der Umwelt.

 

Meldungen zum Thema

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Weiterführende Literatur zum Thema

 

Elise Spiegel, Katharina Deering, Christiane Quaisser, Susann Böhm, Dennis Nowak, Stefan Rakete, Stephan Böse-O'Reilly (2019): Handreichung zum Umgang mit kontaminiertem Sammlungsgut, München 2019.

Werner, S., Nies, E., Peters, S., Pitzke, K., Hitz, J., Kraus, A., Reuther, S., Franzen, C. (2019): Arsenhaltige Farben am Kulturerbe: Schweinfurter Grün in historischer Wandgestaltung, in: Gefahrstoffe - Reinhaltung der Luft, Fachzeitschrift des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung 79/3 (2019), S. 57-66.

Deutscher Museumsbund (Hg.) (2018): Achtung! Gefahrgut im Museum – vom Umgang mit schadstoffbelastetem Kulturgut“, Tagungsbeiträge des Arbeitskreises Konservierung/Restaurierung im Deutschen Museumsbund (DMB), Berlin, 2018.

Boaz Paz (2016): Wer konserviert den Restaurator? Gefährdung der Museumsmitarbeiter durch kontaminiertes Kulturgut, in: Forum KulturBewahren, 14. Dezember 2016.

Paul Zalweski (Hg.) (2014): Biozidbelastete Kulturgüter. Grundsätzliche Hinweise und Texte zur Einführung in die Problematik, Frankfurt/Oder, 2014.

Manfred Torge, Sonja Krug, Michael Bücker, Ines Feldmann, Holger Scharf, Heike Witthuhn und Christoph Sander (2012): Flüchtiges Quecksilber. Emission von Quecksilber aus historischen Zinnamalgamspiegeln, in: Restauro 3/2012, S. 30-37.

Diese Liste soll weiter wachsen. Weitere Literaturhinweise nehmen wir gerne entgegen.