
Für viele Restaurator:innen ist die Arbeit nicht nur ihr Beruf, sondern sie ist Berufung. Sich aus der Selbstständigkeit zu verabschieden, fällt oftmals schwer.
Wem daran gelegen ist, dass das Erreichte weitergeführt wird, sollte früh genug an eine Nachfolge denken. Denn neben vielen fachlichen Fragen steht das Zwischenmenschliche im Fokus.
Wer jemanden findet, mit dem die „Chemie“ stimmt, kann sich unter Umständen nach und nach aus dem aktiven Berufsleben zurückziehen und sein Lebenswerk zufrieden aus der Distanz betrachten.
Die Mehrheit der selbstständigen VDR-Restaurator:innen sind als Einzelpersonen oder in kleinen Arbeitseinheiten tätig. Daher erwartet die Nachfolgenden in der Regel ein hochgradig personenbezogenes Unternehmen. Restaurierungsateliers sind geprägt von der Reputation der Unternehmer:innen, ihrer wissenschaftlichen Expertise in bestimmten Materialklassen und Epochen und von langfristigen Kundenbeziehungen zu Beschäftigten in Museen und Denkmalämtern, Geistlichen und Privatsammler:innen. Viele selbstständige Restaurator:innen publizieren und halten Vorträge. Oft besitzen die Unternehmer:innen private Fachbibliotheken zur Konservierung-Restaurierung, umfangreiche Dokumentationen und beeindruckende Fotobestände.
Bei all dieser Individualität ist es nicht ganz leicht, eine passgenaue Nachfolge zu finden. Zumal nicht selten viel Immaterielles übergeben wird. Allerdings bieten die sehr persönlich geprägten Unternehmen jungen Restaurator:innen die Chance eines sanften Einstiegs in die selbstständige Tätigkeit.
Was wird übergeben? Eine stille Inventur machen
Bevor Sie konkrete Verhandlungen über eine Nachfolge führen, müssen Sie für sich klären, was genau zu übergeben ist. Dazu gehören neben dem Atelier (Verkauf oder Übertragung des Miet- oder Pachtvertrags?), den Werkzeugen und Arbeitsmaterialen zum Beispiel Kundenstamm und Netzwerkkontakte, laufende und geplante Projekte (inklusive Förderzusagen, Ausschreibungen etc.), digitale und analoge Dokumentation (Konservierungsakten, Fotos, Zustandsprotokolle), eventuell die Fachbibliothek sowie möglicherweise die Website, die E-Mail-Adresse und der Markenname.
Den passenden Menschen finden – keine Kopie, aber ein Echo
Weil Restaurator:innen in der Regel sehr spezialisiert sind, gilt es Nachfolgen mit ähnlichen Schwerpunkten zu finden. Ein gut laufendes Atelier für Textilrestaurierung mit speziellen Kundenkontakten kann nicht über Nacht in eine erfolgreiche Werkstatt für Metallrestaurierung umgewandelt werden. Dafür müsste die Nachfolge einen eigenen Kundenstamm mitbringen und die Räumlichkeiten stark umgestalten.
Wünschenswert sind erste Erfahrungen des Nachfolgenden zumindest in der freien Mitarbeit für ein Restaurierungsatelier, eine dem eigenen Unternehmen entsprechende Arbeitsweise und der Wille als Unternehmer:in eigenverantwortlich die betriebswirtschaftlichen Anforderungen und Verwaltungsaufgaben zu erfüllen.
Unternehmensnachfolge finden
Die Nachfolge für ein Unternehmen sollten Sie nicht als Bewerbung auf eine freie Stelle betrachten, sondern als einen partnerschaftlichen Übergang. Dafür sind Offenheit und Geduld gefragt. Nachfolgen kann man über spezielle Plattformen wie die des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie - nexxt-change.org - suchen, über Unternehmensnachfolge-Börsen, z. B. institut-unternehmensverkauf.de oder nachfolge-der-familienunternehmer.de. Wenn man gerne persönlich auf die Suche geht, kann man Nachfolgen auch auf Tagungen, an Hochschulen und auf Messen finden, ebenso unter ehemaligen Praktikant:innen oder Kolleg:innen aus Gemeinschaftsprojekten. Genauso können Nachfolgen über den Berufsverband im VDR-Mitgliederbereich gesucht werden.
Formales regeln
Zu klären sind einige rechtliche Fragen bei der Unternehmensübergabe. Zum Beispiel sollte festgelegt werden, ob es sich um einen Kooperations- oder um einen Übergabevertrag handelt. Der Übergabevertrag regelt den gesamten rechtlichen und finanziellen Übergang des Unternehmens an die Nachfolge. Ein Kooperationsvertrag wird zwischen dem abgebenden Unternehmen und einer oder mehrerer anderer Parteien, die das Unternehmen oder Teile davon weiterführen möchten, abgeschlossen. Er regelt die gemeinsame Arbeit bei der Übergabe eines Unternehmens.
Außerdem geht es um Aspekte der Haftung bei weiterlaufenden Projekten und gegebenenfalls um Einzelheiten zum Markenrecht und zur Domainübertragung. Interessant ist es auch, ob Mietverträge übernommen werden können und Fördermittel sowie Versicherungen übertragbar sind.
Übergabe als Dialog
Ein guter Übergabeprozess ist nie nur ein Vertrag. Er ist ein Dialog auf Augenhöhe. Konkret besprochen werden müssen die Art der Zusammenarbeit während der Übergabephase. Soll es eine Übergabe mit Begleitung und einer Einarbeitungszeit werden oder verabschiedet der Inhaber des Unternehmens sich sofort? Auch ist wichtig zu entscheiden, ob Projekt-Übergaben sukzessive erfolgen sollen und ob Werkzeuge, feste Atelierausstattung, Archiv, Bibliothek und Website übernommen werden. Offene Worte aller Beteiligten von Beginn an verhindern Missverständnisse, durch die es dann später zu Konflikten kommen kann, die eine Übergabe erschweren oder unmöglich machen.
Zugleich stellt sich der in den Ruhestand wechselnden Person die Frage, ob sie nach der Übergabe als beratende Instanz präsent bleiben möchte. Beides ist legitim, sollte aber offen kommuniziert werden gegenüber der Nachfolge.
Fazit: Ein Lebenswerk übergeben – nicht als Erbe, sondern als Staffelstab
Die Restaurierung lebt vom Vertrauen in die Person. Eine Unternehmensnachfolge in diesem Bereich funktioniert dann gut, wenn der oder die Übergebende bereit ist, Wissen weiterzugeben, Verantwortung zu teilen und loszulassen. Ein gelungener Übergang kann beiden Seiten dienen: den Ruheständler:innen, die ihr Werk in guten Händen wissen und den Nachfolgenden, die nicht bei null anfangen müssen.
Autorin: Dr. Christiane Schillig
Foto: KI-generiert mit Ideogram
Hinweis: Beachten Sie bitte, dass unsere Serie Tipps für die Praxis vermittelt und ein Ratgeber von Restaurator:innen für Restaurator:innen ist. Sie können keine rechtliche, betriebswirtschaftliche oder finanzielle Beratung ersetzen. Bitte wenden Sie sich bei individuellen Anfragen an eine Anwalts- oder Steuerkanzlei oder an Ihre Bank!
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