Nachbericht zur Tagung über technisches Kulturgut im Industriezeitalter

Fachtagung des VDR in Dortmund zu Großobjekten Technisches Kulturgut des Industriezeitalters – bewegen, erhalten und erforschen Ein Nachbericht von Ina Wohlfahrt-Sauermann, Corinna Krömer und Kathrin Strobl   Technisches Kulturgut des […]

Fachtagung des VDR in Dortmund zu Großobjekten

Technisches Kulturgut des Industriezeitalters – bewegen, erhalten und erforschen

Ein Nachbericht von Ina Wohlfahrt-Sauermann, Corinna Krömer und Kathrin Strobl

 

Technisches Kulturgut des Industriezeitalters – bewegen, erhalten und erforschen lautete der Titel der Tagung, die in der Tagungsreihe …3, 2, 1! Großobjekte im Fokus im Mai dieses Jahres in Dortmund statt fand. Vom 19. bis 21. Mai 2022 kamen im LWL-Industriemuseum Dortmund knapp 100 Teilnehmer:innen zu der von der Fachgruppe Industrielles Kulturgut/Kulturgut der Moderne organisierten Veranstaltung zusammen. Große Unterstützung erfuhr die Fachgruppe durch den Gastgeber: Das LWL-Industriemuseum Dortmund unterstütze tatkräftig gleich an zwei seiner Standorte bei Planung und Durchführung. Hierfür bedanken wir uns nochmals recht herzlich. Ein besonderer Dank gilt dabei auch der finanziell großzügigen Unterstützung bei der Tagung und Exkursion, sodass der VDR besonders günstige Tarife anbieten konnte.

Restaurierung/ Konservierung und Vermittlung historischer Technik am LWL-Industriemuseum Dortmund

Am ersten Tag stellte sich das LWL-Industriemuseum Dortmund den Teilnehmer:innen vor:  Dr. Kirsten Baumann, Direktorin des LWL-Industriemuseums eröffnete gemeinsam mit Dirk Sturmfels, dem Vizepräsidenten des VDR, die Tagung. Frau Dr. Anne Kugler-Mühlhofer, Museumsleiterin des Tagungsstandortes Zeche Zollern nahm die Zuhörer:innen in ihrem reich bebilderten Vortrag anschließend mit auf eine Reise in die Vergangenheit der Zeche.

Dipl.-Rest. Andreas Hoppenrath, Referatsleiter Restaurierung und Technik, stellte dann das Montanium und dessen Translozierung auf das Gelände der Zeche Zollern vor. Es handelt es sich dabei um ein Lehrbergwerk, welches nun den Museumsbesucher:innen einen Einblick in die Arbeitsatmosphäre unter Tage gewährt. Dabei spielt die Wiederinbetriebnahme eines historischen Ausbauschildes in der Vermittlung genauso eine wesentliche Rolle, wie die digitale Rekonstruktion der Funktion eines Kohlehobels.

Die Tagung wurde u. a. durch Führungen auf und über den Standort Zeche Zollern, durch das Montanium und durch einen Besuch in der beeindruckenden Maschinenhalle vervollständigt. Das in Vorträgen gehörte konnte nun „live“ erfahren und besucht werden.

Betrieb historischer Technik und konservatorischer Anspruch

Prof. Dr. Stefan Brüggerhoff, Direktor des Bergbaumuseums Bochum, Prof. Dr. Roman Hillmann, Professor für Industrial Heritage Conservation am Masterstudiengang MEIHC der Technischen Hochschule Georg Agricola Bochum, sowie Dipl.-Ing. Norbert Tempel, ehemaliger Leiter des Referats Restaurierung und Technik des LWL-Industriemuseums Dortmund, stellten sich anschließend mit Impulsvorträgen und einer offenen Diskussion den Fragen von Dipl.-Rest. Andreas Hoppenrath im Rahmen einer Podiumsdiskussion.

„Betrieb historischer Technik und konservatorischer Anspruch“ lautete das Thema, dem sich die drei Experten von ihren unterschiedlichen Standpunkten aus näherten. Bei allem Wunsch nach Betrieb und nach der Möglichkeit Funktion den Besucher:innen vorzuführen, brachte Dipl.-Rest. Andreas Hoppenrath die Überlegungen jedoch an die Grenze: Er brachte als Restaurator die 4. Dimension „Zeit“ in das Gespräch mit ein. Kritisch wurden Fragen diskutiert: Wie lange kann man den Betrieb technischer Objekte in einem Museum überhaupt aufrechterhalten? Wie lange kann man das Wissen der vorführenden Mitarbeitenden über Generationen und Personalwechsel hinweg sicherstellen? Wie lange sind Ersatz- oder Verschleißteile erhältlich oder nachzufertigen? Wann stoßen finanzielle Möglichkeiten an ihre Grenzen und wie muss sich die Vermittlungsstrategie, dem Generationswechsel der Museumsbesuchenden anpassen?

Über Technisches Kulturgut, Hölzernes, Kunst- und Schadstoffe bis zu Wissenstransfer und Industriearchäologie

Am Freitag folgte in thematisch weit gefächerten Vorträgen ein spannender und inhaltlich abwechslungsreicher Tag. Besonder gefreut hat uns, dass vor allem auch junge Kolleg:innen als Referent:innen gewonnen werden konnten.

Der angestrebte interdisziplinäre Austausch im Rahmen der Tagung ist, so denken wir, durch die unterschiedliche fachliche Herkunft der Referent:innen und Teilnehmer:innen durchaus gelungen. Selbstständige, sowie im musealen Kontext angestellte Restaurator:innen, wissenschaftliche Referent:innen musealer Institutionen, Ingenieur:innen, Handwerker:innen, Denkmalpfleger:innen, Materialwissenschaftler:innen, Industriearchäolog:innen und Hochuschulprofessor:innen bereicherten die Tagung mit unterschiedlichem Fachwissen, Gedanken und Impulsen.

So wurde die Vorstellung verschiedener Restaurierungs- und Konservierungsprojekte aus dem freiberuflichen und musealen Bereich von weiteren spannenden Arbeiten ergänzt:

Till Krieg, M. A., Koordintation Leibniz-Forschungsnetzwerk „Konservierung/Restaurierung“ und Dr. Elena Gómez-Sanchez, Chemikerin und stellv. Leiterin des Forschungsbereichs Materialkunde, gingen in ihrem Vortrag auf gefährliche und gefährdete Kunststoffe und somit auf ihr Forschungsprojekt ein, welches in Rahmen eines Surveys Kunststoffe in der Sammlung des Deutschen Bergbaumuseums Bochum untersucht.

Dr. Lisa Maubach, Abteilungsleiterin der Abteilung Alltagskultur und Sprache am LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte stellte gemeinsam mit der wissenschaftlichen Referentin Antje Buchholz, M. A. das Projekt „Wissenstransfer in musealen Vorführbetrieben – handwerkliche und industrielle Arbeitstechniken“ vor.

Der Industrieachäologe (M. A.) und Restaurator (B. A.) John Dobronz gewährte einen Einblick in seine Masterarbeit, in der er einen Eimerkettenbagger der ehemaligen Ziegelei Beermann bei Lage in Lippe erforscht und Präsentationsvorschläge für die neue Dauerausstellung erarbeitet hat.

Die Professor:innen Dr. Roman Hillmann und Dr. Nicole Lefort der Technischen Hochschule Georg Agricola präsentierten ihre Überlegungen zum Umgang mit seriellen Bauteilen und Strukturen an Gebäuden, Ingenieursbauwerken und Industrieanlagen mit Denkmaleigenschaften.

Außerdem stand eine Führung durch die Restaurierungswerkstätten der Zeche auf dem Programm: Spontan nutzte Martin Jentsch, leitender Ingenieur des Referats Restaurierung und Technik, die Gelegenheit, die Tagungsteilnehmer:innen mit der betriebsfähigen Grubenbahn des Museums zu den Werkstätten zu fahren.

Das Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop und die „Cerberus“

 Am Samstag Vormittag klang die Tagung mit einem Besuch des Schiffshebewerks Henrichenburg in Waltrop und somit an einem zweiten von insgesamt acht Standorten des LWL-Industriemuseums Dortmund aus. Dr. Arnulf Siebeneicker, Museumsleiter des Standortes, führte die Teilnehmenden über das Gelände und erläuterte das Schiffshebewerk. Den Betrieb historischer Technik konnten alle bei einer Kanalrundfahrt mit dem Museumsdampfschiff „Cerberus“ selbst erleben. Die zum Betrieb notwendige vier Personen Besatzung bestand aus Schiffsrestauratoren des Standortes.  Sie standen den begeisterten Mitfahrenden sowohl an Deck als auch im Maschinenraum Rede und Antwort.

Fachgruppensitzung mit Neuwahlen

Die Fachgruppe Industrielles Kulturgut / Kulturgut der Moderne freute sich zudem über die rege Teilnahme an der im Zuge der Tagung stattfindenden Fachgruppensitzung. Besonders gefreut hat uns die spontane Bereitschaft von Kathrin Strobl, Restauratorin M. A. des Militärhistorischen Museums, Flugplatz Berlin-Gatow, aktiv in der Fachgruppe mitzuwirken und sich als Stellvertrende Fachgruppensprecherin zur Wahl zu stellen.

Die Neuwahlen entließen Ulrich Weidauer, der sich leider nicht mehr zu Wahl stellte, aus seinem Amt. Die Dipl.-Restauratorinnen Ina Wohlfahrt-Sauermann und Corinna Krömer wurden, nun verstärkt von Kathrin Stobl, als Sprecherinnen wiedergewählt.

Podcast: Big Stuff – Kulturgut im Großformat

Mehr zur Arbeit der Restauratoren im LWL-Industriemuseum Dortmund gibt es übrigens auch im Podcast des VDR in der Folge „Big Stuff – Kulturgut im Großformat“, die im Vorfeld der Tagung aufgenommen wurde.

https://blog.restauratoren.de/big-stuff-kulturgut-im-grossformat/

Dortmund, den 23.06.2022