Nachbericht zur Holztagung: „Reinigst du noch oder schäumst du schon?“

Auch so hätte das Motto der Tagung „Porentief rein?! Die Reinigung von Möbeln und Holzobjekten in der Konservierung und Restaurierung“ lauten können. Die Fachgruppe Möbel und Holzobjekte traf sich mit […]

Auch so hätte das Motto der Tagung „Porentief rein?! Die Reinigung von Möbeln und Holzobjekten in der Konservierung und Restaurierung“ lauten können. Die Fachgruppe Möbel und Holzobjekte traf sich mit fast 200 Teilnehmer:innen vom 22. bis 24. September 2022 an der FH Potsdam zum Thema Reinigung. 21 Vorträge beleuchteten die Thematik historisch und zeitgenössisch, technologisch und restauratorisch, aber auch innovativ, rückblickend und philosophisch. Und es war das erwartete große „Familientreffen“, das endliche Wiedersehen in vertrauter Runde für Viele, das neu Kennenlernen für Andere. Die Räumlichkeiten der FH Potsdam nebst Nebenräumen und Außengelände sowie der Nähe zum Weltkulturerbe der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) bildeten den perfekten Rahmen dafür! Allen Partner:innen und Mitwirkenden ein großes Lob vorweg – es war großartig!! Unterstützt wurde die Veranstaltung dankenswerterweise von der auch vor Ort vertretenen Firma Hirox Europe, dem Spezialisten für digitale Mikroskopie, sowie der Berliner Niederlassung der Firma ICM (Integrated Contamination Management), dem Partner für feuchteregulierte Warmluftbehandlung zur Schädlingsbekämpfung.

Der Reigen wurde einleitend vom fünfköpfigen Sprecher:innenteam (Eberhard Roller, Daniela Bruder, Angelika Rauch, Harald Kühner und Christian Huber) mit einem ersten Versuch einer systematischen Annäherung an Schmutz und Reinigung eröffnet. Die Komplexität der Thematik wurde in Zitaten und zahlreichen Thesen angerissen wie „Geputzt wird immer!“; „Schmutz ist Substanz am falschen Ort“. Letztlich entstehen Schmutz und Sauberkeit im Auge des Betrachtenden und es fielen Begriffe wie Pflegetraditionen, Sauberkeitsfimmel oder gar „Heiliger Schmutz“. Anna Kozorovicka aus Lettland untersuchte anhand von vergoldeten Zierrahmen die Reinigungs- und Restaurierungstraditionen im Nationalen Kunstmuseum Riga und kam zur Erkenntnis, dass man als Restaurator:in entweder „jung & enthusiastisch oder alt & lebensmüde“ sein müsse. Paul von Duin aus dem Rijksmuseum Amsterdam stellte zahlreiche Prunkstücke des Hauses und deren Reinigungsgeschichte vor, bevor Hans Michaelsen in bewährter Art und Weise 200 Jahre Reinigung und Pflege von Mobiliar anhand zeitgenössischer Quellen, Werbematerialien und toller Abbildungen widerspiegelte.

Anett Xenia Schulz berichtete in ihrem Vortrag „Sauber, ordentlich und einheitlich“ von ihrem langen Ritt durch die Archivakten Brandenburger Kirchenarchive auf der Suche nach Zeugnissen von Pflege, Wartung und Umgestaltungen – ein interessantes Stück Restaurierungsgeschichte. Den ersten Tag beendete dann Carola Klinzmann aus Hamburg mit einem Rückblick auf die allgegenwärtige Anwendung und Verbreitung der Hochglanz-Politur der Firma Zweihorn – auch das ist ein Stück Geschichte der Möbelrestaurierung.

Der zweite Tag gehörte zunächst den Naturwissenschaften. Christine Fuchs von der FH Potsdam untersuchte Reinigungsmittel materialwissenschaftlich und führte eine lange Liste aller darin zu findenden Stoffklassen und Inhaltsstoffe wie Detergenzien (z. B. Saponine und Seifen), Komplexbildner (z. B. Urin und Weinstein) oder Weichmacher an. Stefan Zumbühl von der HKB Bern beleuchtete mit schön strukturierten Folien die Grundlagen der Lösungsprozesse anhand von 50 Jahren Lösungsmitteldreieck und dem Wirken der Chemiker Gassendi und Flory. Die beiden Italienerinnen Corinne Suraci und Francesca Azolini vermittelten die Ergebnisse ihrer Recherche zu Methoden und Werkzeugsätzen mit Lösemittelzusammenstellungen und der noch nicht ganz bis zur Marktreife abgeschlossenen Entwicklung eines auch toll gestalteten übersichtlichen Flaschen- und Werkzeugkoffers dazu.

 Melanie Schönherr aus Wetzlar ließ die Zuhörer an erfolgreichen und umfangreich ausgetesteten Laserreinigungen auf verschiedenen Holzoberflächen teilhaben, bevor Irmela Breidenstein aus Berlin von ihren langen Erfahrungen bei der Restaurierung von Boulle-Möbeln der Dresdener Prunkappartments und dem dortigen Latz-Projekt berichtete. Mit Gelen, Weichstrahlmitteln und einer Reinigungspolitur mit feingemahlener japanischer Magnolien-Holzkohle rückte sie den Spuren der Zeit entgegen. Dann eröffnete Peter Kopp aus Wien den Reigen zweier Vorträge zu einem – für einige noch recht neuen Vorgehen – der Arbeit mit Schäumen. Er sprach von den Möglichkeiten, maßgeschneiderte Schäume auf unterschiedlichen Holzoberflächen einzusetzen, denn diese seien gewichtslos, weisen eine geringe Oberflächenspannung auf und benötigen wenig Wasser. Zudem sind sie absaugbar und durch Zusätze wie Tenside individuell einstellbar auf die jeweiligen Bedürfnisse. Diese Ausführungen wurden fortgesetzt durch Heinrich Piening aus München sowie Tamara Schad aus Stuttgart, die über die Schaumreinigung an der TU Stuttgart promovierte. Vertiefend wurde deutlich, dass gerade die Instabilität der Schäume deren Reinigungswirkung erhöht. Sie stellten die chemischen Prozesse wie Blasenbildung, Imbibition oder Koaleszenzen dar und berichteten von erfolgreichen Reinigungsmaßnahmen an gefassten und geschlossenporigen Holzoberflächen. Bei offenporigen Holzoberflächen ist Vorsicht geboten!

Hinter dem zunächst irritierenden (weil an einen Werbespruch angelehnten) Titel „Detox Wood 2 in 1“ stand die Suche nach einem geeigneten Lösemittel für die Reinigung von mit Holzschutzmitteln kontaminierten Oberflächen. Denn deren Hauptprotagonisten PCP, Lindan oder DDT bedürfen unterschiedlich polarer Lösemittel. Sabrina Zoppke, Julian Schmid und Jörg Weber aus Potsdam sowie der Holzschutzexperte Achim Unger berichteten von den Schwierigkeiten dabei. Daran schloss sich Kerstin Klein aus Halle mit praktischen Erfahrungen bei der „Reinigung, Maskierung und Abschottung“ von belasteten Oberflächen an. Sie sprach u. a. von den Erfahrungen mit schellackbasierten Absperrlacken und den Entsorgungskosten für das Vakuumwaschwasser.

Tirza Mol aus dem Rijksmuseum Amsterdam stellte dem Auditorium das aufwändige und stets zu wiederholende Reinigungsprozedere an einem ohne Vitrineneinhausung präsentierten, 420 cm langen Schiffsmodell um 1700 dar, welches sie mit einer Kollegin zweimonatlich ausführen muss. Ralf Buchholz beendete den langen Vortragstag mit philosophischen Gedanken zu Patina, Authentizität und dem Wert der Holzoberfläche angesichts wenig festgelegter Begrifflichkeiten dazu. Der Tag endete nach einem Grillbuffet im nahegelegenen Casino der FH Potsdam mit einem Bunten Abend.

Am Samstagmorgen folgten vier weitere Vorträge vor den Führungen am Nachmittag zu ausgewählten Sehenswürdigkeiten und Werkstätten Potsdams. Klaus Tenschert aus Franken berichtete von seinen Maßnahmen in der Elisabethkirche in Bamberg, deren Holzoberflächen in der Nachkriegszeit mit Ätznatron abgelaugt worden waren und heute ein vergrautes und mit Salzausblühungen getrübtes Äußeres aufweisen. Marie-Luise Rönsch aus München forderte „Runter mit dem Wachs“, denn sie hatte sich in ihrer Abschlussarbeit mit den Schäden durch Mikrokristalline Wachse und den Möglichkeiten deren Abnahme mittels Gelen beschäftigt. Um die Weiter-oder Wiederbearbeitbarkeit solcher Flächen zu ermöglichen, bewährt sich ein Xanthan-Gel mit Shellsol D70.

Dann wurde es gruselig und schaurig! Richard Engel aus Lüdershagen in Mecklenburg-Vorpommern sammelte umfangreiche Erfahrungen zu Möglichkeiten und Grenzen der Reinigung von Holzsärgen, deren Umfeld und Inhalt. Metallbeschläge, Knochenreste und die besondere Problematik bei deren Aufstellung und Zugänglichkeit erschweren die Entscheidungen für die Holzrestaurierung. Den Abschluss einer vollen und äußerst gelungenen Tagung setzte der Archäometrie-Chemiker Boaz Paz aus Bad Kreuznach mit der Vorstellung eines materialschonenden Verfahrens zur Dekontamination und Abreicherung belasteter Holzobjekte.

Ein großer Dank gilt dem Sprecher:innenteam der VDR-Fachgruppe für die Vorbereitung und Orga samt vielen helfenden Händen der Potsdamer Studierenden, Julia Kun und der gesamten Geschäftsstelle sowie den Kolleg:innen der Potsdamer Stiftung SPSG für die Führungen durch das Marmorpalais und dem Neuen Palais.

Ralf Buchholz
Oktober 2022, Hildesheim

Lesen Sie dazu auch den Beitrag in unserem Restauratorenblog "Wo hört Schmutz auf, wo fängt Patina an?"