Bericht zur VDR-Tagung  „PRÄVENTIV?! Die Präventive Konservierung im archäologischen Fachbereich“

Vom 24.-26. Oktober 2019 fand die 6. Fachtagung der Fachgruppe Archäologische Objekte in den Reiss-Engelhorn Museen in Mannheim statt. Die Tagung stand unter der Schirmherrschaft des Generaldirektors der Reiss-Engelhorn Museen Prof. […]

Vom 24.-26. Oktober 2019 fand die 6. Fachtagung der Fachgruppe Archäologische Objekte in den Reiss-Engelhorn Museen in Mannheim statt. Die Tagung stand unter der Schirmherrschaft des Generaldirektors der Reiss-Engelhorn Museen Prof. Dr. Alfried Wieczorek. Dieser begrüßte als erster die Teilnehmer, wobei er verdeutlichte wie wichtig die präventive Erhaltung von Kulturgütern und auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachspezialisten ist. Nicole Ebinger-Rist hieß die Teilnehmer stellvertretend für den verhinderten Landesarchäologen Prof. Dr. Dirk Krauße ebenso willkommen, wie Gisela Gulbins, die die Teilnehmer der Tagung im Namen des VDR-Präsidiums begrüßte. Im Rahmen der Tagung fand auch das Treffen der Fachgruppe Archäologische Objekte statt, bei dem die neuen Sprecher gewählt wurden.

Präventiv, das heißt heute nicht mehr nur Handschuhe anzuziehen – so wie es das Titelbild des Programmheftes zeigt. Dies wurde in allen Vorträgen und in den Exkursionen der drei Tage auch deutlich.

Wir graben und wissen nicht, wer es kriegen wird, so ähnlich klagte König David.
Restauratorinnen und Restauratoren planen heute den Weg der Funde von der Grabung zur langfristigen Lagerung. Eindrücklich wurde im ersten Vortrag anhand einer Universitätsgrabung in Ägypten geschildert, was passiert, wenn solche Planungen fehlen und im Nachhinein Schadensbegrenzung versucht wird. Mit diesem spannenden Vortrag zu den Herausforderungen in Ägypten war der Einstieg in die Thematik gut gelungen und das Interesse der Zuhörer geweckt.

Es schloss sich ein ganz anderes Problemfeld an. Durch die Erweiterung der Bodendenkmäler auf unsere jüngste Geschichte fallen neue Materialien wie Kunststoffe an. In der Diskussion wurde deutlich, was auch in späteren Vorträgen aufschien: Was sollen wir sammeln und aufbewahren?

Auf die Erfahrungen und das Konzept der Einführung von Grabungsfirmen im Landesamt für Denkmalpflege in Baden-Württemberg folgte eine intensive Diskussion. Welche Grabungsrichtlinien braucht es? Blockbergungen ja oder nein? Eisenfunde trocken oder feucht? Die Erfahrungen und die Praxis in den Bundesländern sind durchaus widersprüchlich. Wer führt die Erstversorgung durch und wo? Deutlich wurde auch, dass es sich bei der Entwicklung eines funktionierenden Gesamtsystems zwischen Archäologen und Restauratoren in Baden-Württemberg um einen Wandlungsprozess handelt, der noch im Gange ist. Mit aktuell 25 tätigen archäologischen Fachfirmen und Büros ist der Markt noch überschaubar. Wie sich die Situation in Zukunft entwickeln wird, darf mit Spannung erwartet werden.

„Extremes Fundaufkommen“ durch extremen Flächenverbrauch unserer industriellen Gesellschaft erfordert industrielle, professionelle Lösungen. So haben Restauratoren in den letzten Jahren Depots geplant, die u.a. stabile Klimabedingungen bieten –  beispielsweise durch Lehmverputz, wie in Xanten. In Anbetracht sommerlicher Hitzewellen gewinnt eine gute Isolierung als Puffer gegen starke Klimaschwankungen zunehmend an Bedeutung.

Ein Barcode gestütztes Fundmanagement ermöglicht dem archäologischen Dienst in Bern die effektive und regelmäßige Durchführung der konservatorisch notwendigen Pflegemaßnahmen. Die vorgestellten „Trockungs-Kits“ für Metalle, die zum Einsatz auf der Ausgrabung bereitgestellt werden, stießen im Publikum auf reges Interesse.

Zu welchen finanziellen Mitteln ist unsere Gesellschaft für eine rettende „Zeitkapsel“ unserer archäologisch ausgeräumten Landschaft bereit? Die Firma kurecon stellte mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik Zentrallagerlösungen vor. All dies ist nicht möglich ohne die Planung einer Datenbank, so ein Vortrag der Arbeitsgruppe des LAD BW, der auf viel Resonanz im Publikum stieß.

Identitätsstiftung in einer industriellen Landschaft durch Archäologie, die Planung und Umsetzung einer ungewöhnlichen Vitrine für den ältesten Einbaum der Schweiz macht es möglich und zeigt zugleich, wie das Mini-Museum die Ansprüche von Zeigen und Bewahren von Kulturgut gekonnt vereint.

Ist 3D-CT die Lösung, um Funde sichtbar zu machen; wird dadurch Restaurierung überflüssig? Nein, hier war das nur ein Nebenprodukt der Erstversorgung der Funde vom Kloster Lüne, welche in einem lebendigen und interessanten Vortrag präsentiert wurden. Der nächste Beitrag stellte dazu schon die richtige Frage: „Wohin mit all den Scans? Ein Beitrag zur Langzeitarchivierung von 3D-Daten“ des Kompetenzzentrums für Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien der Universität Bamberg.

Den Umgang mit den Langzeitlasten des 19. und 20. Jh. und ihren Methoden die Objekte vor Schädlingen zu bewahren, zeigt Paz Laboratorien. Auch hier ist Planung und strukturierter Umgang mit den Schadstoffen das A und O. Die vielen Meldungen aus dem Publikum zeigten, dass das Thema ernst genommen wird.

Archäologische Objekte sind Quellen der vergangenen Geschichte. Sie tragen Informationen, welche gerne zerstörungsfrei gewonnen werden sollen. Doch Roland Schwab vom Curt-Engelhorn-Zentrum für Archäometrie zeigte deutlich auf, welche Grenzen die Oberflächendiagnostik mit portablen RFA-Geräten, bedingt durch die Herstellungs- und die Korrosionsprozesse des Objektes, aufweist. Ergebnisse zur Bestimmung der Relationen in der chemischen Zusammensetzung und Ausschlussverfahren sind aber durchaus möglich. Sein Plädoyer: „die Fragestellung den Methoden anpassen“.

Historische Räume, z.B. der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württembergs, haben begrenzte Möglichkeiten der optimalen präventiven Versorgung von historischen und archäologischen Hohlgläsern. So soll ein Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Silicatforschung (ISC) und den Kunstsammlungen der Veste Coburg durch eine einheitliche Nomenklatur die Dokumentation der Schadensphänomene erleichtern und damit zu einem verbesserten Sammlungsmanagement führen.

Auch Kirchenfundamente sind archäologische Objekte, deren Klimatisierung seit der Ausgrabung vor 60 Jahren schier unlösbar scheint. Mit der Grabanlage St. Stephan in Chur wurde der fortwährende Kampf gegen Kondenswasser und Salz eindrucksvoll verdeutlicht.

Ergänzend trugen zwei Firmen ihre Leistungen vor. Die Firma Hasenkamp ermöglichte mit der Präsentation des Transports von teils tonnenschweren Objekten einen Einblick in sonst eher wenig bekannte Problemstellungen im Umgang mit archäologischen Funden. Um das BEMMA-Schema und die daraus entwickelte schadstoffarme Vitrine ging es bei der Firma Hahn.

Vervollständigt wurde das Programm durch Posterpräsentationen über die Blockbergung einer römischen Kochstelle sowie das Thema Objektbeschriftungen, die falsch ausgeführt zu irreversiblen Schäden am Objekt führen.

Am ersten Abend berichtete Hiba Albassir über „Möglichkeiten und Grenzen des Denkmalschutzes in Krisenzeiten – Aktuelle Restaurierungsprojekte des Vereins SIMAT e. V. in der Provinz Idlib (Syrien)“ und zeigte uns eindrücklich, wie wichtig Menschen Kulturgut ist und wie leicht es zu zerstören ist. Erschütternde Bilder von Plünderung, mutwilliger Zerstörung und aufopferungsvollen Rettungsaktionen weckten Gesprächsbedarf, dem im Anschluss an den Vortag bei pfälzischem Wein nachgegangen werden konnte.

Am Samstagmorgen, nach dem gemeinsamen Bunten Abend mit viel Austausch, setzte eine Exkursion unter der Führung von Marion Riebschläger zum Thema „Zentraldepot Planung und Wirklichkeit, Führung durch das zentrale Fundarchiv des Archäologischen Landesmuseums, Baden-Württemberg“ das Thema der Tagung fort: Planungsfehler vor der Inbetriebnahme stellen uns nachträglich vor schier unlösliche Probleme. Immerhin sollte dieses Lazarett aus dem 19. Jh. als Zeitkapsel des ganzen archäologischen Erbes eines Bundeslandes einmal bombensicher sein.
Um „Depotplanung zwischen Umsetzung und Wirklichkeit“ ging es in der zweiten Exkursion, in der Gisela Gulbins durch das Depot der Reiss-Engelhorn-Museen führte. Die einzelnen Bereiche der Fundanlieferung, -registrierung, Versorgung und Archivierung stießen auf reges Interesse und führten zu angeregten Diskussionen unter den Teilnehmern.

Abschließend erwähnenswert sind die gute Organisation und gekonnte Moderation, die zu entspannten Pausen ohne Zeitdruck und einer insgesamt gelösten und interessierten Grundstimmung beitrug.
Sowohl in den Kaffeepausen als auch im Rahmen des Abendprogramms wurde bestens für das leibliche Wohl gesorgt und es gab genügend Raum zum Austausch, der von allen Teilnehmern rege genutzt wurde. Dank gebührt den REM, dem Orga-Team unter der Leitung von Tatjana Held und Bernd Hoffmann-Schimpf sowie den Helfern vor Ort, die zum Gelingen der Tagung beitrugen und diese Tagung damit zu einer durch und durch gelungenen Veranstaltung machten.

Ute Meyer-Buhr, Sarah Wolff und Tatjana Held