EU-Biozid-Verordnung – eine Gefährdung für den Kulturgüterschutz?!

Schädlingsbefall von Kunstwerken ist als Schadensursache keine Seltenheit. Um einen Befall durch Insekten zu stoppen und weitere Schäden zu verhindern sowie eine fachgerechte Konservierung durchzuführen, wird in der Regel ein […]

Schädlingsbefall von Kunstwerken ist als Schadensursache keine Seltenheit. Um einen Befall durch Insekten zu stoppen und weitere Schäden zu verhindern sowie eine fachgerechte Konservierung durchzuführen, wird in der Regel ein Verfahren angewendet, das allgemein unter „Stickstoffbegasung“ bekannt ist.

In den meisten Fällen wird jedoch nicht mit Stickstoff begast, also Stickstoff künstlich hinzugefügt, sondern eine „sauerstoffarme Atmosphäre“ erzeugt. Dies geschieht, indem der Raumluft, die unter Normalbedingungen rund 78 Prozent Stickstoff und 21 Prozent Sauerstoff enthält, letzterer entzogen wird. Das Ergebnis ist das Absterben vorhandener Insekten durch Anoxie, dem vollständigen Fehlen von Sauerstoff im Gewebe – umgangssprachlich würde man es als Ersticken bezeichnen (daher auch der Wortursprung von Stickstoff). Diese Methode der Schädlingsbekämpfung ist unschädlich für die Materialien, aus denen unser Kulturgut besteht und ist deshalb in Fachkreisen weitverbreitet. Eine Vielzahl von Museen haben eigene Anlagen, mit denen sie ihre Sammlungen schützen.

Dies könnte sich in Kürze ändern! Bereits 2013 wurde Stickstoff von der EU als Biozid eingestuft und nun besteht die Befürchtung, dass diese Form der Schädlingsbekämpfung nicht mehr rechtskonform möglich ist. Bereits jetzt wurden verschiedene Firmen abgemahnt und es folgte eine Welle von einstweiligen Verfügungen. Aktuell nimmt das Landgericht Dortmund eine juristische Prüfung vor – ein Verfahren mit Leitcharakter! Wichtigster Streitpunkt: Unterliegen Verfahren, die auf der Nutzung von Sauerstoffabsorbern mittels Membranen basieren, der Biozid-Verordnung? Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Anlagen fest verbaut sind oder mobil in situ genutzt werden.

Die Firma Rentokil hat eine Biozid-Zulassung für den Einsatz von Stickstoff zur Bekämpfung diverser Schädlinge an Kulturgut. Danach werden nach erfolgter Schädlingsbestimmung und Analyse der Befallssituation durch Schädlingsexperten die befallenen Wertgegenstände in einen luftdicht verschlossenen Spezialfolienballon eingebracht. (Foto: Rentokil)
Die Firma Rentokil hat eine Biozid-Zulassung für den Einsatz von Stickstoff zur Bekämpfung diverser Schädlinge an Kulturgut. Danach werden nach erfolgter Schädlingsbestimmung und Analyse der Befallssituation durch Schädlingsexperten die befallenen Wertgegenstände in einen luftdicht verschlossenen Spezialfolienballon eingebracht. (Foto: Rentokil)

Mitte Oktober findet der nächste Verhandlungstermin statt. Sollte das Gericht entscheiden, dass der Betrieb dieser Anlagen der Biozid-Verordnung unterliegt, dürften diese Anlagen nicht mehr betrieben werden. Dies wäre ein Rückschlag für die Erhaltung des Kulturerbes in Europa. Stellt sich doch die Frage, wie zukünftig gegen Schädlingsbefall an Kunstobjekten vorgegangen werden kann, wenn es keine unschädliche Alternative gibt. Die Firma Rentokil hat seit vielen Jahren eine Biozid-Zulassung für den Einsatz von Stickstoff zur Bekämpfung diverser Schädlinge an Kulturgut (CAT = Controlled Atmosphere Treatment). Danach werden nach erfolgter Schädlingsbestimmung und Analyse der Befallssituation durch Schädlingsexperten die befallenen Wertgegenstände in einen luftdicht verschlossenen Spezialfolienballon eingebracht.

Unter den derzeitigen Gegebenheiten rät der VDR aktuell davon ab, bis zur gerichtlichen Entscheidung Einsätze mit solchen Anlagen zu planen und durchzuführen.