HAWK-Studierende entdecken alte Abgußtechniken

In einem Praxiskurs haben HAWK-Studierende der Restaurierung alte Restaurierungstechniken kennengelernt und erprobt. Dabei stellten sie Nachgüsse fehlender Elemente von Möbeln für eine aktuelle Ausstellung her, in der Innenausstattungen und Möbel […]
Dr. Ralf Buchholz erläutert Restaurierungstechniken am Besuchertisch im Museum August Kestner (Foto: HAWK)

In einem Praxiskurs haben HAWK-Studierende der Restaurierung alte Restaurierungstechniken kennengelernt und erprobt. Dabei stellten sie Nachgüsse fehlender Elemente von Möbeln für eine aktuelle Ausstellung her, in der Innenausstattungen und Möbel des hannoverschen Hofarchitekten Georg Ludwig Friedrich Laves im Museum August Kestner gezeigt werden. Einige kopierte Möbelornamente wurden von den Studierenden mit unterschiedlichen Farbzusammensetzungen bemalt und teils möglichst originalgetreu nachproduziert. Im Museum ist auch ein Ausstellungstisch aufgestellt, der Besucher*innen diese Restaurierungsprozesse erklärt und zu haptischen Erfahrungen einlädt.

Das Museum habe ihn angesprochen und gefragt, erzählt Dr. Ralf Buchholz, Dozent und Leiter der Restaurierungswerkstatt für Möbel, Holzobjekte und Materialkombinationen an der Fakultät Bauen und Erhalten der HAWK in Hildesheim über die Kontaktaufnahme. Der Kurs im Modul „Historische Techniken“ sei bei den Studierenden an der Hochschule sehr beliebt. Im Sommersemester habe sich rund ein Dutzend Studierender mit den Objekten von Laves-Möbeln beschäftigt, um fehlende oder fehlerhafte Ornamente möglichst originalgetreu zu ersetzen – und darüber hinaus alte Materialmischungen und Herstellungstechniken auszuprobieren und kennenzulernen. Es wurden aber auch moderne Materialien wie Epoxidharz oder Alabastergips getestet.

Ein klassizistischer und restaurierter Schrank von G.L.F. Laves aus dem 19. Jahrhundert, der ursprünglich im Finanzministerium stand.
Einige vergoldete Palmetten, die von HAWK-Studierenden an einem Laves-Schrank ersetzt wurden.

Georg Ludwig Friedrich Laves, Ende des 18. Jahrhunderts geboren, hatte als Hofarchitekt und Oberbaudirektor Hannovers viele bekannte Gebäude, darunter die heutige Oper, entworfen oder auch das Leineschloss umgebaut. Daneben hat er als wichtiger Vertreter des Klassizismus ebenfalls Innenraumausstattungen und Möbel konzipiert. Etliche dieser Möbel aus Privatbesitz und aus staatlichen Gebäuden sind in einer Sonderausstellung im Museum August Kestner zusammengetragen und können zurzeit besichtigt werden.

An einem der Laves-Bücherschränke, der zuletzt eher versteckt in einem Raum des Finanzministeriums stand, hatte Buchholz für die Restaurierung Silikonabdrücke von Zierleisten, Rosetten und Palmetten für den Praxiskurs abgenommen. Aus dieser Matrize entstanden Abgussformen, mit denen die HAWK-Studierenden weitergearbeitet hatten.

„Die Rosette ist ganz zentral in den Werken von Laves“, sagt Buchholz und verweist auf viele Möbel und Schränke aus der Zeit. Ebenso das Holzmaterial: Laves hatte sehr oft Mahagoni verwendet, das ursprünglich gar nicht als edles Tropenholz galt, sondern eher als Verpackungsmaterial und zufällig aus Übersee-Ländern nach Europa gelangte.

Zentrales Ornament-Element der Laves-Möbel: Rosetten, hier als Gipsabgüsse in verschiedenen Farben.
Gipsabgüsse von Kapitellen, originalgetreu bemalt.

Mit seinen Studierenden studierte Buchholz zunächst alte Quellen von Tischlern und Möbelbauern, Zeitgenossen von Laves, die Gussrezepte und Materialien wie Knochenleim und Sägemehl, Ziegelsteingranulat und Hautleim verwendeten. Die Umsetzung sei nicht immer einfach gewesen, weiß Martha Andersen, die im dritten Semester Restaurierung studiert: „Mit den alten Materialien ist es sehr schwer zu arbeiten, denn Hautleim und Sägespäne brauchen teils Wochen, um in den Formen richtig auszutrocknen – außerdem schrumpfen sie dabei“, sagt sie. „Das war schon eine Herausforderung, das richtig nachzustellen“. Ihr Kommilitone Maurus Franck hat sich mit den Kapitellen und Zierleisten beschäftigt: „Ich musste den richtigen Umschlagpunkt herausfinden, sodass man weiß, dass der Gips die notwendige Dickflüssigkeit hat. Das Wichtigste ist, den Guss nicht zu früh aus der Form zu holen“, fasst er seine Erfahrungen zusammen.

Tobias Depreux hatte sich bei seiner Quellenrecherche des Öfteren gefragt, wie die Autoren ihre Rezepte verstanden wissen wollten: „Ich habe die verschiedensten Mischungen gefunden, meist mit interessanten Mengenangaben: Da stand dann etwas von einem halben Sack einer Zutat. Wieviel ist aber nun ein oder ein halber Sack?“.

Und obwohl es auch immer wieder Rückschläge gegeben hat, sehen die Studierenden den Kurs als große Bereicherung an: „Es hat sehr viel Spaß gemacht, all das auszuprobieren. Deswegen werde ich ja Restaurator, um später diese historischen Techniken anzuwenden“, fasst Depreux zusammen.

Dass nicht immer alles sofort gelingt, sei ein Teil des Erkenntnisprozesses gewesen, sagt Buchholz: „Ab und zu gab es Luftblasen in den Abgüssen, kleine Blätter, die nicht mit abgegossen wurden und so weiter. Aber im Laufe der Zeit hätten die Studierenden immer mehr Ehrgeiz entwickelt und weiter dazu gelernt“.

Buchholz führt selbst als Experte durch die Ausstellung, erklärt interessierten Besucher*innen am Restaurierungstisch viele Details rund um die Technik der Möbelrestaurierung, zu Materialien und auch die Geschichten, die hinter den Laves-Möbeln stecken. Die nächste Führung ist am 12. März 2023 im Museum August Kestner in Hannover.

 

Pressemitteilung und Bilder: HAWK, 19.12.2022

Dr. Ralf Buchholz (3. V.l.) und HAWK-Studierende in der Werkstatt am Brühl: Martha Andersen, Maurus Franck und ganz rechts: Tobias Depreux.