Höhergruppierung für Restaurator:innen im öffentlichen Dienst – ein Nachbericht

Nachbericht über die Online-Veranstaltung zum Thema „Höhergruppierung für Restauratoren im öffentlichen Dienst“ am 05.10.2021 VDR-Geschäftsführerin Dr. Christiane Schillig begrüßte die 95 Teilnehmer:innen. VDR-Vizepräsidentin Susanne Danter, die im Präsidium für die […]

Nachbericht über die Online-Veranstaltung zum Thema „Höhergruppierung für Restauratoren im öffentlichen Dienst“ am 05.10.2021

VDR-Geschäftsführerin Dr. Christiane Schillig begrüßte die 95 Teilnehmer:innen. VDR-Vizepräsidentin Susanne Danter, die im Präsidium für die Belange der Restauratoren im öffentlichen Dienst zuständig ist, übernahm die Moderation. Sie führte in den Themenkomplex ein.

2014 und 2017 wurden im Bund und in den Kommunen die Entgeltordnungen grundlegend überarbeitet, in den Bundesländern jedoch nicht. Dort gilt nach wie vor die veraltete Entgeltordnung von 1968. Das Land Hessen ist seit längerem außerdem aus der Tarifgemeinschaft der Länder ausgestiegen und verhandelt in den derzeit laufenden Tarifverhandlungen unabhängig von den anderen Ländern. Vertreter des VDR und der Gewerkschaft ver.di haben eine Arbeitsgruppe gegründet, um die Interessen der Restaurator:innen besser zu vertreten.

Nach dieser kurzen Einführung hatten drei Restauratorinnen Gelegenheit, ihre persönlichen Höhergruppierungsfälle beispielhaft vorzustellen.

Alexandra Czarnecki arbeitet als Skulpturenrestauratorin an der Alten Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Sie erzählte, dass ihre und andere Stellen nach Inkrafttreten des neuen Tarifgesetzes überprüft worden seien. Dabei waren die Vorstellungen der Mitarbeiter und der Personalstellen nicht immer identisch. Sie selbst sollte von EG 11 auf 12 höhergruppiert werden. Ihre Tätigkeiten entsprachen jedoch den einer wissenschaftliche Mitarbeiterin und sie erfüllte alle nötigen Voraussetzungen. Daher wollte sie in EG 13 eingestuft werden. Frau Czarnecki klagte beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, verlor in 1. Instanz, ging in Berufung und gewann den Prozess in 2. Instanz beim Landgericht. Dabei half ein von ihr eingereichtes Arbeitstagebuch mit präzisen Beschreibungen der Tätigkeiten und deren Zeitanteilen. Sie wurde rückwirkend zum 01.01.2014 in EG 13 eingruppiert.

Gisela Gulbins ist als Restauratorin für Kunsthandwerk kommunale Angestellte bei den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim. 2017 trat die neue Entgeltordnung für Kommunale Arbeitgeber (VKA) in Kraft. Die meisten der acht Restaurator:innen am Hause stellten Anträge auf Höhergruppierung, von 9b auf 12, hilfsweise auf 11. Es gab Unterstützung vom Personalrat und von der Gewerkschaft. Da keine Arbeitsplatzbeschreibungen existierten, mussten diese erstellt und bei der paritätisch besetzten Bewertungskommission eingereicht werden. Die vorgelegten Entwürfe entsprachen nicht ganz den Vorstellungen der Restaurator:innen, wurden aber trotzdem unterschrieben, um die Sache weiterzubringen. Damit sich die Kommission ein Bild machen konnte, fanden Arbeitsplatzbegehungen statt. Die Bewertungskommission bewilligte schließlich eine Höhergruppierung in EG 11. Für eine Eingruppierung in EG 12 hätte geklagt werden müssen. Der gesamte Vorgang dauerte über 2 Jahre.

Susanne Danter erläuterte ihren eigenen Fall exemplarisch für eine aktuelle Höhergruppierung in den Ländern, in diesem Fall in Hessen. Im Vorfeld der Antragstellung ergaben diverse Faktoren eine Diskussion um die Bezahlung der Restaurator:innen im Haus. Zum aktuellen Zeitpunkt waren alle Restaurator:innen noch in EG 9 als auch in einem Fall in EG 8 eingruppiert. In einem Pilotprojekt zur Inventarisierung mit Barcodes wurde ein temporäres Team aus Kunsthistoriker:innen und Restaurator:innen aufgestellt. Alle, auch die Restaurator:innen in diesem Team, wurden mit EG 11 eingestuft. Parallel wurde eine Stelle im VDR-Stellenmarkt eingereicht und aufgrund der geringen Eingruppierung in EG 9 nicht freigeschaltet. Die Dienstelle erhielt eine entsprechende Begründung durch das VDR-Stellenmarktteam. Aufgrund der Corona Pandemie etwas verzögert stellte im Sommer 2021 eine Kollegin den ersten Antrag auf Höhergruppierung von EG 9 auf EG 11 (EG 12 gibt es in Hessen nicht). Die in diesem Fall bereits sehr veraltete Tätigkeitsbeschreibung wurde neu formuliert und wenige Monate später wurde der Höhergruppierung stattgegeben. Ein Teil der Abteilung hatte parallel bereits einen Antrag gestellt oder tat dies folgend mit Zuspruch seitens der Direktion. Alle Tätigkeitsbeschreibungen wurden erneuert und nach weniger als einem halben Jahr wurden letztlich alle sechs Kolleg:innen von EG 9 auf EG 11 und eine sogar von EG 8 auf EG 11 höhergruppiert.

Nun begann die Berliner Arbeitsrechtlerin Stephanie Musiol mit ihrem Vortrag, bei dem sie auch Fragen der Teilnehmer:innen berücksichtigte. Frau Musiol hat bereits rund 20 Restaurator:innen gerichtlich und etwa 30 außergerichtlich vertreten.

  • Höhergruppierungsverfahren sind generell so ziemlich das Schwerste, was es im arbeitsgerichtlichen Verfahren gibt. Der Arbeitnehmer muss dem Gericht genau die Gründe darlegen, warum seine Tätigkeit in eine bestimmte Entgeltgruppe eingruppiert werden muss. Dazu muss der Mandant seine Tätigkeit und auch seine Qualifikation, bzw. seine persönlichen Voraussetzungen, nachweisen. Das kann sehr zeitintensiv sein. Jeder Fall ist ein Einzelfall.
  • Bis EG 11 ist der Arbeitgeber selbst entscheidungsbefugt. Darüber hinaus holt sich der Arbeitgeber die Absicherung von der übergeordneten Behörde. Das bedeutet, dass oft gerichtliche Entscheidungen auch vom Arbeitgeber benötigt werden für die Höhergruppierung, wobei in der Regel erstinstanzliche Entscheidungen noch nicht ausreichen, sondern vielmehr eine zweitinstanzliche Entscheidung des Landesarbeitsgerichts oder sogar, sofern die Revision zugelassen wird, eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts benötigt wird.
  • In den §12, 13 TVöD wird festgelegt, dass man in diejenige Entgeltgruppe eingruppiert wird, in der man mindestens 50 Prozent der gesamten Arbeitszeit arbeitet. Dabei werden Arbeitsvorgänge gebildet, an deren Ende jeweils ein Arbeitsergebnis steht. Man muss also Tätigkeiten zeitlich gestaffelt auflisten und dies sehr konkret darlegen, z.B. in der Tätigkeitsbeschreibung oder durch ein Arbeitstagebuch*. Nun muss man schauen, wie die gebildeten Arbeitsvorgänge eingruppiert werden und sie mit den Protokollerklärungen der Entgeltgruppen vergleichen. So wird z.B. die Beurteilung der Leihfähigkeit überhaupt erst in EG 13 genannt. Manchmal lassen sich allerdings Protokollerklärungen schwierig abgrenzen: Wann ist eine Restaurierung „schwierig“ und wann „sehr schwierig“? Die so gebildeten Arbeitsvorgänge müssen dann – allein oder mehrere zusammen – mind. 50% der Gesamtarbeitszeit ausfüllen.
    *Frau Musiol rät dringend dazu, ein eventuell geführtes Arbeitstagebuch von einem Arbeitsrechtler vorher prüfen zu lassen, bevor man es dem Arbeitgeber vorlegt.
  • Bei den Tätigkeiten kommt es nicht auf die „ausgeübte“, sondern auf die „auszuübende“ Tätigkeit an, die der Arbeitgeber arbeitsvertraglich übertragen hat. Das heißt, man darf grundsätzlich von sich aus ohne Genehmigung keine höherwertigen Tätigkeiten als übertragen, ausüben. Es hilft allerdings, wenn die zur Ausübung des Direktionsrechts befugte Stelle des Arbeitgebers eine ausgeübte Tätigkeit geduldet hat. Es kommt immer auf die konkrete Arbeitsorganisation des Arbeitgebers an.
  • Wichtig sind auch die „persönlichen Voraussetzungen“. Ab EG 9b muss man eine Hochschulbildung (auch FH) nachweisen, ab EG 13 muss eine wissenschaftliche Hochschulbildung (Universität, TH, Kunsthochschule) nachgewiesen werden. Das FH-Diplom reicht hierfür nicht aus. Der Studiengang muss eine Mindeststudiendauer von 8 Semestern (gezählt wird ohne Praxissemester und ohne Prüfungssemester) sowie als weitere Zugangsvoraussetzung die allg. Fachhochschulreife vorsehen.
  • Es gibt eine Öffnungsklausel für „Sonstige Beschäftigte“. Wenn man nicht über die verlangte Hochschulausbildung verfügt, kann man nachweisen, dass man dennoch durch die Berufserfahrung über gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, wie jemand, der diese Hochschulausbildung oder wissenschaftliche Hochschulbildung hat. Dafür kann man private Gutachten von Professoren über die erworbenen Fähigkeiten, die einem Hochschulstudium oder wissenschaftlichem Hochschulstudium gleichwertig sind, beibringen. Dabei wird sich z.B. an Studienplänen orientiert. Insgesamt muss man sehr konkret darlegen, welche Berufserfahrungen man gesammelt hat. Wenn dieser Nachweis der Gleichwertigkeit nicht gelingt, wird man eine EG-Stufe niedriger eingruppiert, als der Tätigkeit entsprechend.
  • Für die Antragstellung auf eine Höhergruppierung regelt §37 TVöD die Ausschlussfrist für Zahlungsansprüche. Das heißt, für Restaurator:innen, die Anträge stellen, gelten absolute Fristen, nach denen keine rückwirkenden Zahlungsansprüche (über 6 Monate hinaus) geltend gemacht werden können.
  • Bei Höhergruppierungen aufgrund der Einführungen der neuen Entgeltordnungen sind zudem die in den jeweiligen TVÜ geregelten Ausschlussfristen zu beachten: im Geltungsbereich TVöD Bund waren die Anträge auf Höhergruppierung bis Mitte 2015, im Geltungsbereich TVöD VKA bis zum 31.12.2017zu stellen. Wer diese Fristen verpasst hat und seinen Höhergruppierungsantrag auf die neuen EntgOen stützen will, kann einen Antrag auf Höhergruppierung nur noch dann stellen, wenn sich die Tätigkeit zwischenzeitlich geändert hat. Auch Restauratoren, die erst nach den vorgenannten Fristen eingestellt wurden (bzw. werden), können natürlich eine Höhergruppierung beantragen. Hier ist dann wiederum im Hinblick auf die Zahlungsansprüche die Ausschlussfrist des § 37 TVöD zu beachten.
  • Im Rahmen der Höhergruppierung aufgrund der neuen EntgOen kommt es in der Regel zu einer Rückstufung; auch die Stufenlaufzeit beginnt jeweils neu zu laufen. Zu einer stufengleichen Höhergruppierung kommt es nur bei den Höhergruppierungsanträgen der „Neueingestellten“ oder der, deren Tätigkeit sich nach den oben genannten Fristen geändert hat. Die Stufenlaufzeit beginnt aber auch hier mit der Höhergruppierung neu zu laufen.
  • Mit dem Gutachten des VDR zum FH-Diplom kann leider aus juristischer Sicht nicht argumentiert werden. Das FH-Diplom erfüllt nicht die tarifvertraglichen Voraussetzungen eines wissenschaftlichen Hochschulstudiums. Auch bei den Professoren gilt ganz klar, dass der Master höherwertig als das Diplom anzusehen ist.

Zum Ende der Veranstaltung wurde dann noch von einem positiven Beispiel für eine erfolgreiche Höhergruppierung von Wolfram Bangen erzählt. Der Restaurator ist beim kommunalen Arbeitgeber Westfalen-Lippe angestellt. Er und seine Kolleg:innen wurden höhergruppiert, viele von 9a in 9b, im Denkmalamt sogar in EG 14 und auch alle, die 10 Jahre beschäftigt waren, wurden als „Sonstige Beschäftigte“ höhergruppiert.

Hören Sie zu diesem Thema auch unsere Podcast-Folge "Tarife, Geld und Anerkennung". 

Bericht: Gudrun von Schoenebeck