Mindestlohn ab 2015 – Hinweise für Restauratoren

Ab 1. Januar 2015 gilt der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde für alle in Deutschland tätigen Arbeitnehmer/innen über 18 Jahren. Dieser setzt branchenübergreifend eine feste Grenze, die künftig nicht […]

Ab 1. Januar 2015 gilt der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde für alle in Deutschland tätigen Arbeitnehmer/innen über 18 Jahren. Dieser setzt branchenübergreifend eine feste Grenze, die künftig nicht mehr unterschritten werden darf. Doch gibt es Ausnahmeregelungen.

Bislang zahlen Restaurierungsbetriebe, Ämter und andere Kultureinrichtungen ihren Praktikanten häufig deutlich weniger als es der Mindestlohn vorsieht. Das hat mehrere Gründe, und dies sind die dringlichsten:Zunächst ist das Praktikum Teil der Ausbildung. Dabei bedürfen Praktikanten der umfassenden Betreuung und Anleitung, denn die Aufgaben der Konservierung-Restaurierung sind anspruchsvoll und komplex. Sorgsames und wohlbedachtes Arbeiten sind unabdingbar, sonst können bei der Bearbeitung wertvoller Kunst- und Kulturgüter Fehler passieren, die unumkehrbare Schäden nach sich ziehen. Die Betreuung des restauratorischen Nachwuchses bündelt somit viel Arbeitszeit und ist für Betriebe zunächst eine wirtschaftliche Belastung, die sich erst nach Monaten amortisiert.
Außerdem, und das werden viele Betriebe ehrlicherweise zugeben, wäre so manches Projekt ohne Praktikanten gar nicht realisierbar. Denn die akademische Restaurierung kann nicht auf Auszubildende zurückgreifen. Das ist anders als im Handwerk, wo die Gehälter von Auszubildenden weiterhin in die Mischkalkulation von Projekten einfließen können.
An die Stelle von Auszubildenden treten in der Konservierung-Restaurierung Abiturienten, die ein Vorpraktikum absolvieren, das den Zugang zum Hochschulstudium ermöglicht. Auch sind Studierende im Rahmen ihres Praxissemesters häufig als Praktikanten tätig.
Doch inwiefern gelten Praktika als Ausbildung? Und wann ist der Mindestlohn zu entrichten?

Es kommt auf den Einzelfall an.
Grundsätzlich haben Praktikanten ab 1. Januar 2015 Anspruch auf den Mindestlohn, es sei denn, sie sind als Auszubildende einzustufen. Denn Auszubildende gelten im Sinne des Mindestlohngesetzes des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales nicht als Arbeitnehmer. Ihre Entlohnung wird weiterhin durch das Berufsbildungsgesetz geregelt.
Auf Anfrage des VDR, was darüber entscheidet, ob Praktikanten als Auszubildende gelten, teilte das Ministerium mit:

„Ausgenommen vom Mindestlohn sind sogenannte Pflichtpraktika, also insbesondere solche Praktika, die verpflichtend auf Grund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung oder einer hochschulrechtlichen Bestimmung geleistet werden.“

Demzufolge ist davon auszugehen, dass studienvorbereitende Jahrespraktika in der Restaurierung zum Ausnahmetatbestand zählen und folglich kein Mindestlohn zu entrichten ist. Denn fast alle Hochschulen mit Restaurierungsstudiengängen schreiben als Zugangsberechtigung ein zwölfmonatiges Vorpraktikum vor. Auch haben manche Hochschulen ein verpflichtendes Praxissemester im Studienverlauf vorgesehen, für das ebenso die Ausnahmeregelung greifen dürfte.1

Neben Pflichtpraktika werden in der Restaurierung teils auch freiwillige Praktika geleistet. Haben diese Praktikanten bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung oder Hochschulausbildung, gilt grundsätzlich der Mindestlohn. Ausgenommen sind nur solche freiwilligen Praktika, die auf die Ausbildung oder das Studium bezogen sind und nicht länger als drei Monate dauern. Wird die Dreimonatsfrist überschritten, ist das Praktikum „ab dem ersten Tag der Beschäftigung mit dem Mindestlohn zu vergüten“.

Die Regelung zum Mindestlohn gilt übrigens ganz unabhängig davon, ob das Praktikum schon in 2014 begonnen hat oder erst in 2015 aufgenommen wird. Folglich sind auch bereits bestehende Arbeitsverhältnisse zu prüfen.

Für das Mindestlohngesetz für Praktikanten, das der Ausbeutung als billige Arbeitskraft vorbeugen möchte, gibt es also wohlbegründete Ausnahmen. Dennoch sollte den Praktikanten ein angemessenes Gehalt bezahlt werden. Zu einer Regelung über eine Mindestlohngrenze für Praktikanten konnte sich die Bundesregierung allerdings nicht entschließen. Der VDR, der sich eine entsprechende Regelung wünschen würde, wird in Kürze eine frisch überarbeitete Vorlage für Praktikumsverträge vorlegen, die auch einen Vorschlag für die Vergütung von Praktikanten enthalten wird.

Und Volontäre?
Im Prinzip kann die Ausnahmeregelung auch für Volontariate gelten, „soweit diese Ausbildungscharakter haben“, heißt es im Arbeitsministerium. Allerdings sei der Begriff des Volontariats „gesetzlich nicht abschließend geklärt“.
Ein Sprecher des Ministeriums teilte uns mit: Es sei „im Einzelfall zu prüfen, welches Rechtsverständnis sich hinter dem vom Vertragspartner gewählten Begriff des Volontariats verbirgt.“
Keine klare Antwort also. Dies resultiert vermutlich aus der Tatsache, dass einige Institutionen Volontariate auch vor und während des Studiums anbieten. In der Restaurierung jedoch werden Volontariate mehrheitlich nach dem Studium angeboten, denn so können Absolventen im Studium gewonnenes Wissen und praktische Fertigkeiten vertiefen und sich auf das Berufsleben vorbereiten. Sie erhalten Rat und Unterstützung bevor sie auf sich alleine gestellt und eigenverantwortlich Restaurierungsleistungen erbringen.
Solche Volontariate sind in aller Regel nicht in den Hochschulordnungen festgeschrieben. Sie erfolgen freiwillig. Hier trifft vermutlich die schon zuvor genannte Aussage zu, dass Praktikanten mit abgeschlossenem Studium unmittelbar den Mindestlohn erhalten.
Wer sich seiner Sache sicher sein will, dem bleibt eine Nachfrage beim Ministerium wohl nicht erspart. Denn bei Volontariaten wird nach Einzelfall entschieden.

Auswirkungen für Angestellte, Arbeitslose und Selbstständige
Für angestellte Restauratoren sollte der Mindestlohn keine Rolle spielen, denn ihre Vergütung sollte in der Regel über dieser Einkommensgrenze liegen und über die geltenden Tarife geregelt sein. Nur Langzeitsarbeitslose, die wieder in den Beruf einsteigen wollen, sollten wissen, dass bei ihnen in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung vom Mindestlohn abgewichen werden kann, um den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Der Mindestlohn kann übrigens nur für Angestellte gelten. Selbstständige und Scheinselbstständige profitieren von der neuen Regelung nicht. Sie sind und bleiben für die Bemessung Ihres Stundensatzes selbst verantwortlich.

Fußnote:
1 Eine juristisch belastbare Auskunft für unseren konkreten Fall erhielten wir auf Anfrage nicht, genauso wenig wie Antworten auf Detailfragen, was passiert, wenn Restauratoren in Ausbildung mehrere Jahrespraktika bei unterschiedlichen Betrieben absolvieren, ohne dass dies anderen Arbeitgebern bekannt ist.

Weiterführende Informationen und Links:
Broschüre des Ministeriums für Arbeit und Soziales zum Mindestlohn (PDF)

Mindestlohngesetz (MiLoG): „Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie“ vom 11.8.2014, siehe insbesondere Seite 6, § 22, Abs. 1 

Berufsbildungsgesetz (BBiG), siehe insbesondere §26