Blickwinkel – Hafenkulisse mit Rostcharme oder Chance auf authentischen Erhalt? Diese war nicht die einzige Fragestellung, der Referenten und Teilnehmer bei dem gleichnamigen Symposium im Rahmen der Veranstaltungsreihe „… 3, 2, 1! Großobjekte im Fokus“ nachgingen. Vom 24. bis 26. Mai 2018 hatte die Fachgruppe Industrielles Kulturgut / Kulturgut der Moderne zu dem Symposium in das Hafenmuseum Hamburg / Stiftung Historische Museen Hamburg eingeladen.
Ein Nachbericht von Beatrix Alscher, Juni 2018:
Im Kontext der Neugestaltung eines „Deutschen Hafenmuseums“ in Hamburg erfahren explizit die Großobjekte der Sammlung eine besondere Relevanz. Die Objektforschung und wissenschaftliche Erschließung liegt hier bislang nur rudimentär vor. Dass der Erhalt industriellen Kulturguts vielschichtige Konflikte aufwirft, ist in der Fachwelt nichts Neues – doch wo stehen wir heute? Welche Möglichkeiten bieten sich an, damit das Potenzial dieser Objekte in die Öffentlichkeit getragen und somit eine Art „Daseins-Berechtigung“ generiert werden kann. Wo stehen wir in diesem Kontext als Restauratoren – ist unsere Restaurierungsethik doch noch „Neuland“ bei der Konzepterarbeitung von Groß-Projekten im öffentlichen Raum? So das Empfinden vieler Teilnehmer nach einem Beitrag, der zu einer regen Diskussion führte.
Diplom-Restaurator Alexander Löwe berichtete sehr praxisnah über Projekte, welche er in seiner über zehnjährigen Berufserfahrung begleitet hat – so referiert er: „[…] Welcher Umgang für welches Objekt angemessen ist, steht nicht unbedingt fest und ist meistens von vielen äußeren Faktoren abhängig. Der wichtigste Faktor für den dauerhaften Erhalt eines Denkmals ist die Rezeption, die positive Wahrnehmung in einer möglichst breiten Öffentlichkeit. Die in der Praxis allzuoft als erstes gestellte Frage „was kostet das?“ ist unsachlich. Zuerst stellt sich die Frage: was soll erreicht werden? Wie soll ein Objekt in Zukunft wahrgenommen werden?“
„Was die Elbe zu erzählen hat – Geschichte lesbar machen“
Löwe berichtet über seine Zeit am Hafenmuseum Hamburg und über den Aussagewert vermeintlich bedeutungsloser Objekte zur Sensibilisierung von ehrenamtlichen Mitarbeitern. Ein Fundkomplex, der beim Einsatz des Schutensaugers „Sauger IV“ (einem schwimmenden Arbeitsgerät der Sammlung, Baujahr 1909) vom Elbgrund „gesaugt“ worden ist. Diese Objekte wurden fälschlicherweise als Schrott empfunden. Löwe arbeitete diesen „Schrott“ auf, gab den Dingen einen Namen sowie Bezug und konnte somit verschiedene Bereiche historischer Hafentätigkeit dokumentieren und damit einen Einblick in die Entwicklungsgeschichte des Schiffbaus geben.
Dieser Beitrag wurde exemplarisch auserwählt, um aufzuzeigen von welcher entscheidenden Bedeutung die Kommunikation, respektive die Erklärung von „Potenzialen und Zwängen in die Gesellschaft hinein“ ist, wie Prof. Dr. Stefan Brüggerhoff (Direktor des Deutschen Bergbau-Museums Bochum) es in seinem Vortrag formulierte. Erst mit dieser Arbeit lässt sich das richtige Augenmerk für die Beurteilung eines visuell vermeintlich unästhetisch wirkenden Fundkomplexes oder eines Industrie-Ensembles entwickeln.
Die Neugründung des „Deutschen Hafenmuseums“ bietet die Chance auf eine wissenschaftlich fundierte Bestandsaufnahme. So kann erreicht werden, dass bei der Eröffnung des neuen Museums die Großobjekte mit einem nachvollziehbaren Gesamtkonzept verstanden und in ihrer Vielschichtigkeit präsentiert werden können.
„… und sie bewegt sich doch – oder besser nicht?“
Diese Frage stellt Dipl.-Ing. Norbert Tempel (Leiter Referat Technik und Restaurierung, LWL Industriemuseum) in den Raum und zeichnet die Pro- und Contra-Argumente einer Erhaltung in Funktion auf. Allem voran steht auch hier die Klärung restaurierungsethischer Fragen. Der Schauwert und die Faszination, der Erhalt von Betriebs-Know-How (Wartung, Instandsetzung) und der Fakt, dass viele Arbeitsgeräte zuweilen bessere konservatorische Bedingungen im Betrieb erfahren, wird den „Contra-Argumenten“ des Verlusts von historischer Substanz sowie der Veränderung durch Umsetzung aktueller Regelwerke gegenübergestellt. Die Diskussion um die Sinnhaftigkeit einer Erhaltung in Funktion bleibt essentiell.
„… ein im Jahre 2018 interpretierter Zustand von 1927“
Die Beiträge über das Restaurierungskonzept und über die Dokumentation der Demontage der Inneneinrichtung von Christiane Rosenkranz (Restauratorin für Holzobjekte und Möbel) wirft am Ende doch so einige berufspolitische Fragen auf. Im Vorfeld hatte Ursula Richenberger (Projektleiterin Aufbau Deutsches Hafenmuseum) bereits über den Aufbau eines „Deutschen Hafenmuseums“ referiert und über das „Leitobjekt“ erklärt: „Wir begreifen es als schwimmendes Objekt mit konzeptioneller Bedeutung für das Deutsche Hafenmuseum – und nicht als Museumsschiff.“ Nach beiden Beiträgen gab es folgende Information: die Viermastbark soll in den „Zustand von 1927“ zurückversetzt werden. Die nachfolgende Diskussion der Teilnehmer setzte den Informationsgehalt der angestrebten Präsentation in Frage. Nach aktuellem Wissensstand über die Gestaltung der Inneneinrichtung müsste es heißen, wir präsentieren einen im Jahr 2018 interpretiereten Zustand von 1927, folgert Kornelius Götz (freiberuflicher Fachplaner für Restaurierung).
Es bleibt die Frage im Raum, warum bei einem aus Bundesmitteln geförderten Projekt das Fachwissen von Restauratoren im Stadium der Planung nicht mit einbezogen und in der Durchführung nur eine einzige Restauratorin für die Dokumentation der Demontage der Inneneinrichtung beauftragt worden ist.
„Für diese Oberflächenphänomene zahlen Kunstliebhaber 1 Millionen Euro“
Prof. Ruth Keller (HTW-Berlin, Prof. Kons. u. Rest. Moderne Mat. u.Technisches/Industrielles Kulturgut) appelliert in ihrem Vortrag an den Erhalt von gealterten Oberflächen. Sie zeigt das Kunstwerk „für Velimir Chlebnikow“ (2004/2005) von Anselm Kiefer (1945 Donaueschingen) sowie die Oberflächen korrodierter technischer Großobjekte und weist darauf hin, dass in der Sammlung des Hafenmuseums, an den Außenobjekten eine Vielzahl vergleichbarer Flächen vorliegen. Provokant stellt sie den aktuellen Kunstmarktwert von Kiefers Werk in den Raum.
Auf dem Weg zur Konzeptfindung für Außenobjekte wie die des Hafenmuseums kann diese Provokation als hilfreicher „Reminder“ verstanden werden. Die genaue Betrachtung und Analyse der Oberflächen bringt häufig ungeahnte Erkenntnisse über Material, Herstellungstechniken, Nutzungsgeschichte u.ä. mit sich. Diese Erkenntnisse müssen im weiteren Feld der Restaurierung Beachtung finden und können ausschlaggebend dafür sein, dass ein ursprünglich anvisiertes Konzept modifiziert werden muss.
„Die Ausgangszustände sind unterschiedlich, die Erwartungen an das Endergebnis auch …“
Schirmherr des Symposiums Prof. Dr. Stefan Brüggerhoff (Direktor des DBM) zeichnet bei der Frage nach den Restaurierungszielen zwei Extreme auf: die Dokumentation einer Ruine und das Erstrahlen in früherer „Schönheit“. Ersteres mit der Betonung darauf, dass diese Art der Präsentation immer möglich ist, Letzteres mit der Hinterfragung an einen denkmalgerechten Ansatz. Er weist expliziet darauf hin, dass ein Objekt nicht erhaltungswürdig sein muss, sondern viel mehr erhaltungsfähig. Einfache Standards lassen sich in diesem Zusammenhang häufig nicht umsetzen, es müssen spezifische Lösungsansätze gefunden werden. Die Reduktion auf exemplarische Bereiche, gezielte Nutzungsmöglichkeiten, das Zulassen auch von modernen, technischen Erhaltungsstrategien und besonders die Überlegung mit der Vielzahl der Objekte umzugehen, sind nur einige schlagwortartige Ansätze seines Vortrags. So referiert er, dass die Alterung ein stets zu berücksichtigender Faktor ist und Kompromisse für eine umsetzbare Erhaltung notwendig werden, diese jedoch in ihrer Vielschichtigkeit bewertet werden müssen.
„Gemeinsam voneinander lernen“
Prof. Dr. Stefan Brüggerhoff betonte in seinem Impulsvortrag nochmals die Wichtigkeit des Austauschs auf Fachgruppentreffen und Symposien, besonders auch die Einbindung der jüngeren Generation. Aufgrund einer großzügigen Spende war es möglich, einer Vielzahl von Studierenden die Teilnahme an diesem Symposium zu ermöglichen. Mit annähernd 60 Teilnehmern freuten wir uns darüber, dass ein lebendiger fachwissenschaftlicher Austausch direkt an den Objekten stattfinden konnte. Aufgrund der regen Debatte, um das Restaurierungskonzept der Viermastbark Peking reagierten die Projektleiterin für den Aufbau des Deutschen Hafenmuseums, Ursula Richenberger, sowie Carsten Jordan (Leiter Hafenmuseum). Zwar kann die große Baumaßnahme, die Herstellung der Schwimmfähigkeit des Rumpfs sowie die Rekonstruktion der Takelage nur in kleinen Teilen durch die Restaurierung/Konservierung von vorhandenem Material erfolgen, aber für einzelne Sektionen und insbesondere für einzelne Einbauten, Möbel oder Arbeitsgeräte können die vorgefundenen Bestandteile sowie ihre Alterungsprozesse konserviert werden. So bleibt zumindest in Teilen vorgefundenes Material erhalten. Diese Bereiche und Objekte können zukünftig auf der PEKING auf besondere Weise präsentiert und damit für die Besucheröffentlichkeit sichtbar gemacht werden. In einem nächsten Schritt werden in Kürze die Möglichkeiten zwischen allen Projektbeteiligten auf der Werft, bei der Stiftung Hamburg Maritim und der Stiftung Historische Museen Hamburg abgestimmt.
In diesem Sinne, haben wir an diesen drei Tagen im Mai „gemeinsam voneinander lernen können“.
Das Hamburger Wetter hat sich von der schönsten Seite gezeigt, so dass der Grillabend wie auch die Barkassenfahrt durch den Hamburger Hafen von inspirierender Frische gezeichnet waren.