Restaurieren – ein Blick von außen

Restaurieren – Überlegungen eines Außenstehenden: 1975, im Denkmalschutzjahr seligen Angedenkens, gab es Umfragen des Instituts von Frau Noelle Neumann, mit denen das Nationalkomitee hoffte, mehr über die Akzeptanz des Denkmalschutzes […]

Restaurieren – Überlegungen eines Außenstehenden:

1975, im Denkmalschutzjahr seligen Angedenkens, gab es Umfragen des Instituts von Frau Noelle Neumann, mit denen das Nationalkomitee hoffte, mehr über die Akzeptanz des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege bei der Bevölkerung zu erfahren.

Das für viele unerwartet positive Ergebnis bestärkte all jene, die in den meist neuen, regionalen Denkmalschutzgesetzen ein vernünftiges Instrument zu Schutz und Pflege des baulichen Erbes sahen. Eine der Aufgabe entsprechende, auch finanzielle Aus-stattung der Denkmalämter ermöglichte den Versuch, sich gegen die Flut geplanter Veränderungen und Zerstörungen zu stemmen. Bei Konflikten konnte so mit den Betroffenen, den Institutionen ebenso wie einzelnen Bürgern, Lösungen gesucht und oft auch gefunden werden. Es waren gute Zeiten. Die Bilanz der darauf folgenden Jahre und Jahrzehnte müssen Berufenere ziehen. Unbestritten ist: Erstaunliches ist damals erreicht und auf den Weg gebracht worden, Vieles aber ist seitdem, nicht nur im Bereich der Gesetzgebung und Verwaltung, zum Nachteil von Denkmalschutz und Denkmalpflege verändert worden. Die Zeit um 1975 muss denen, die sich heute für Schutz und Pflege sowie fachlich vertretbare Maßnahmen einsetzen, wie ein fernes Paradies erscheinen.

Schon damals war klar, dass ein klug ausgedachtes Instandsetzungs- oder Restaurierungskonzept in den Händen qualifizierter Fachleute gut aufgehoben, in den Händen nicht ausreichend qualifizierter jedoch zum Scheitern verurteilt ist. Ein gutes Ergebnis hing auch damals von den Fähigkeiten derer ab, die die nur scheinbar unkomplizierten Operationen ausführten und gegebenenfalls, während der Arbeit, Zielsetzungen und Methoden, immer in Absprache, modifizierten. Es gibt also keinen Automatismus, und, vor allem, es gibt keine Erfolgsgarantie bei der Umsetzung von Restaurierungskonzepten. Die von Unerfahrenen zwangsläufig verursachten Schäden werden zu unheilbaren Teilen des Werks und seiner viel zu oft dramatischen Restaurierungsgeschichte.

Die Abhängigkeit des Erfolgs einer Restaurierung von der fachlichen Kompetenz der Ausführenden hat manches mit der Entstehung eines Werks gemein. Meisterliches und Geringeres, auch bei der Umset-zung von meisterlichen Entwürfen, sind für das erfahrene Auge unschwer zu trennen. Nun gab und gibt es in der Kunstgeschichte eine Denkrichtung, den Entwurf des Architekten (das „Konzept“) als die entscheidende Leistung, die Umsetzung als Akzidenz zu betrachten. Es liegt nahe, sich zu fragen, ob die Arbeit der Restauratoren, die sich mit dem gewachsenen Werk, der Summe seiner Schichten auseinan-dersetzen, durch eine solche Denkweise nicht mitbetroffen sein könnte.

Nun könnte man nach verbindlichen Maßstäben für eine Bewertung von Leistungen im Bereich der Restaurierung fragen, und sich darüber Gedanken machen, ob nicht vielleicht gar von Mehrheiten bis hin zu Entscheidungsträgern eine fachlich unzureichende Maßnahme als hinnehmbar betrachtet wird. Welche Gründe oder Rechtfertigungen auch immer hinter einer solchen Bereitschaft stehen mögen, die Konsequenzen für das Werk, das Juristen nur scheinbar kühl als „Sache“ bezeichnen, bleiben die gleichen. Kann man sich darüber verständigen, dass es hier um Güter der Allgemeinheit geht, kommt zur fachlichen eine moralische Dimension. Die Paragraphen der „Sachbeschädigung“ sind, wie ich von erfahrenen Juristen lernen musste, bei einer inkompetenten, den ideellen und materiellen Wert eines Werks mindernden Bearbeitung nicht anwendbar.

Sucht man nach schlüssigen Argumenten, die gegen eine gesetzliche Verankerung des Berufsbildes der Restauratoren, also des „Berufstitelschutzes“ sprechen könnten, bleibt man mit leeren Händen. Die Feststellung, man könne mit den derzeitigen Verhältnissen doch gut leben, da die Gesetze und Vorschriften genügten, der „Markt“ die Dinge reguliere und fachlich angemessene Restaurierungen möglich seien, wird durch die Wirklichkeit allzu vieler Maßnahmen widerlegt. Eine weit verbreitete Vergabepraxis, vor allem auf dem Feld der Denkmalpflege und da besonders „auf dem Land“, fördert „Runderneuerungen“ der, wie man oft hört, „unansehnlich“ gewordenen Werke. Übrigens: Das Vertrauen in den „Markt“ als Regulator ist gerade in der letzten Zeit auch bei denen, die einmal daran glaubten, geschwunden. Natürlich geht es beim Versuch, die Berufsbezeichnung schützen zu lassen, um Restauratoren, aber doch nicht allein. Die Opfer sind „Sachen“, die unter den Händen derer, die ihr Handeln als Restaurieren bezeichnen ohne entsprechend qualifiziert zu sein, beschädigt und entwertet werden.

In der Denkmalpflege hat die von Bauherren immer noch viel zu oft unterlassene Beauftragung von ausgewiesenen Fachleuten eine weitere Dimension. Nicht nur Gebäude sind ungehobene Archive. Wer-den diese richtig befragt, ergeben sich oft Dokumente zur Geschichte, nicht nur ihres Entstehens, son-dern ebenso zu weiteren Gebieten, etwa des Lebens im Mittelalter. Findet eine solche Befragung vor den meist Substanz vernichtenden Veränderungen nicht statt, werden diese Archive ungelesen entsorgt. Diese enthalten (oder enthielten) in fast allen Fällen mehr Mitteilungen als die in Archiven gesammelten Archivalien aus Papier. Diese werden zu Recht gehegt, gepflegt und fleißig gelesen, deren Beseitigung würde für die Verursacher nicht ohne Folgen bleiben.Wenn aber Archive in der Gestalt von Bauten ungelesen entsorgt werden, kräht kein Hahn. Eigentlich müssten sich Historiker als unermüdliche Lobbyisten der Archäologen, Bauforscher, der Kunsthistoriker und nicht zuletzt der wissenschaftlich arbeitenden Restauratoren engagieren, weil all diese Disziplinen die auf Papier verfügbaren Quellen wesentlich mehren.

Das eben beklagte gilt auch in Städten, für die das tourismusfördernde Qualitätssiegel „Weltkulturerbe“ erobert wurde. Dieser Titel ist, abgesehen von den stets willkommenen finanziellen Hilfen, eine Art Brandbeschleuniger, mit dem Gealtertes durch oberflächliche Kuren „ansehnlich“ und so besser verdau-lich für Mehrheiten gemacht werden soll. Die Schaffung von „Infrastrukturen“ zur Erschließung für den Tourismus, also Maßnahmen, die in der Regel das „Weltkulturerbe“ belasten, kommt hinzu. Restauratoren und Bauforscher werden dabei viel zu selten gefragt. So groß die Versuchung ist: Ihre Tagung ist nicht der rechte Ort, um gegen den forcierten, nur selten durch angemessene Forschungen vorbereiteten Umbau venezianischer Paläste in Hotels zu polemisieren.

Dabei wird die Arbeit der Restauratoren durchaus geachtet, nicht selten sogar bewundert. Es genügt, die Reaktion derer zu beobachten, die ein Museum besuchen und dort mit einer Restaurierungsdoku-mentation konfrontiert werden. Die Arbeit von Museumsrestauratoren wird vom Publikum beachtet und geschätzt, wenn die Wege, die zu Veränderungen des Werks und restauratorischen Entscheidungen führten, erklärt und dokumentiert werden.

Anders verteilt sind die Gewichte, wenn Museumsrestauratoren dem Wunsch, fragile Werke „auf Tour“ zu schicken, fachliche Argumente entgegen stellen. Der Ausstellungsbesucher ahnt nur selten, welche Konsequenzen dieser lukrative Tourismus für hochempfindliche Werke hat. So frage ich mich nicht erst seit heute: Wenn bei einem „Event“, wie der Berliner Porträtausstellung, zahlreiche Holztafeln aus anderen Museen gezeigt werden, welcher gewichtige fachliche Gewinn im speziellen Fall diese Gefährdung rechtfertigen könnte. Wurden die Restauratoren in den entleihenden Museen überhaupt konsultiert? Haben im Ausstellungsbusiness die Argumente der Restauratoren gegenüber den Interes-sen der Museumsdirektoren und der Ausstellungskuratoren überhaupt noch Gewicht? Oder sollten Res-tauratoren sich gar, durch Niederlagen zermürbt, auf das Monitoring und das Restaurieren der von der Grand Tour zurückgekehrten Museumsbestände konzentrieren?

Zum Trost noch ein Beispiel für den Erfolg restauratorischer Arbeit: Der riesige Publikumserfolg der Berliner Ausstellung, die den Skulpturen von Tell Halaf gewidmet ist, erklärt sich doch nicht durch die eindrucksvollen Skulpturen allein, sondern ganz besonders durch die Leistung derer, die aus unzähligen Bruchstücken das nach dem Krieg endgültig verloren geglaubte Ensemble wieder zusammenfügten. Und das waren Restauratoren.

Breitere Akzeptanz und Anerkennung finden häufig Methoden und Ergebnisse naturwissenschaftlicher Untersuchungen, die zur Vorbereitung oder Begleitung von Restaurierungen durchgeführt werden. Die Naturwissenschaften haben es beim Publikum und der Politik in der Regel leichter, auch wenn – im spe-ziellen Fall – ihre Ergebnisse nur ein Teil eines komplexen Restaurierungsvorhabens sind. Dabei sind es Restauratoren, die durch gezielte Fragen an die „Sache“, die Notwendigkeit solcher Untersuchungen begründen und aus deren Ergebnissen und auf der Basis ihrer fachlichen Erfahrungen Strategien zur Restaurierung entwickeln und diese dann mit Kopf und Händen umsetzen. Nahe liegende Reflexionen zur schwindenden Wertschätzung (und damit auch der schwindenden Finanzierung) der Geisteswissenschaften und besonders der sogenannten „kleinen Fächer“ gegenüber den quantifizierbaren, finanziellen Gewinn versprechenden Ingenieur- und Naturwissenschaften an unseren Universitäten verkneife ich mir.

Dass es Fälle gibt, in denen die Leistung der Restauratoren, wenn auch wortlos, Anerkennung findet, kann man an einem derzeit viel gerühmten Bauwerk illustrieren. Der Architekt David Chipperfield hat inzwischen für die Instandsetzung des geschundenen Neuen Museums auf der Berliner Museumsinsel alle bekannten und weniger bekannten nationalen und internationalen Architekturpreise erhalten. In keiner der Begründungen für die Preiswürdigkeit wird jedoch der entscheidende Beitrag der Restauratoren auch nur mit einem Wort erwähnt. Könnte es sein, dass bei der zu oft von Fehleinschätzungen, ja gegenseitigem Misstrauen geprägten Zusammenarbeit von Restauratoren mit Architekten noch Aufklärungsarbeit zu leisten bleibt? Könnte es sein, dass die Leistung der Restauratoren oft nur als ausführende, jedenfalls nicht konzeptuelle betrachtet und die Restauratoren somit in der Hierarchie der erbrachten Leistungen irgendwo, jedenfalls ziemlich weit unten, angesiedelt sind?

Nun handelt es sich bei Chipperfields Projekt nicht um eine „Restaurierung“, sondern um ein „architektonisches Projekt“, bei dem die materiellen Reste eines bedeutungsreichen Bauwerks des 19. Jahrhunderts konsequent konserviert, von Fachleuten restauriert und in einen übergeordneten, vom Architekten definierten Zusammenhang integriert wurden. Ein als „Plädoyer“ später vom Berliner Denk-malamt veröffentlichtes, knappes Rahmengutachten des Berliner Beirats für Baudenkmale wurde für die Unterlagen zum Architektenwettbewerb verfasst, Restauratoren haben daran wichtigen Anteil. Eine schriftliche Festlegung der zuständigen Fachbehörde zu Zielen und Methoden der Instandsetzung in einzelnen Räumen ist mir nicht bekannt geworden. Um eine hohe Qualität der Konservierung und Restaurierung zu erreichen, wurden die zu erbringenden Leistungen so definiert, dass qualifizierte Restauratoren beauftragt werden konnten. Martin Reichert, der auch sonst höchst verdiente Projektleiter aus dem Büro Chipperfield, hat sich für eine Vergabe an qualifizierte Restauratoren erfolgreich eingesetzt und die Umstände der Realisierung und die Ziele des Projekts bei der Hildesheimer ICOMOS-Tagung zum „Weltkulturerbe Deutschland“ in einem lesenswerten Aufsatz veröffentlicht.
Ein Kritikpunkt für einige in restauratorischen Fragen versierte Betrachter scheint zu sein, dass die Konservierung der Reste nur Teil eines Projekts, nicht dessen einziges Ziel war. Farbig geschlossene Flächen oder dreidimensionale Profile, mit denen die konservierten Teile in einigen Räumen zu, wie Architekten sagen, architektonisch „tragfähigen“ Zusammenhängen verbunden wurden, blieben jedoch, meist fachintern, nicht ohne Kritik.

Dabei kam im Neuen Museum die Konzentration auf das Konservieren statt auf das Rekonstruieren auch monochromer Flächen für Bauten auf der Berliner Museumsinsel einer Zeitenwende gleich. Es genügt, den Blick auf die vor wenigen Jahren für den gleichen Bauherrn instandgesetzte Alte Nationalgalerie oder, weg von der Insel, die nicht allein von der Politik, sondern auch von Kollegen favorisierten Planungen zum Berliner Schloss oder zur Rekonstruktion von Schinkels Bauakademie zu richten, um zu ahnen, woher und wie heftig in Berlin normalerweise der Wind weht. Nur wenige Architekten können sich rühmen, nächtliche Mahnwachen der Gegner eines ihrer Projekte mit brennenden Fackeln und polemischen Flugblättern, dazu Demarchen beim Petitionsausschuss des Bundestags und vieles mehr provoziert und wundersamerweise ohne Schaden überstanden zu haben. Am Ende haben qualifizierte Restauratoren im Rahmen eines architektonischen Projekts zur Rettung der noch erhaltenen Elemente des Neuen Museums Bewundernswertes beigetragen. Historische Substanz, auch scheinbar Unwichtiges, ging nicht verloren, Verletzungen und Verlust sind überall erkennbar, die von vielen ersehnten und mit vielerlei Mitteln favorisierten Rekonstruktionen der Räume und ihrer Ausmalung unterblieben. Den an den Entscheidungen Beteiligten, die lange von lautstarken Protesten einer „Gesellschaft Historisches Berlin“ beunruhigt und stark verunsichert waren, auch der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sei Dank.
Würde ich nun die Diskussion um das von Grund auf neu zu bauende Berliner „Barockschloss“ beginnen, das nach seiner politisch motivierten Sprengung nach dem Krieg nun endlich „restauriert“ wird, dessen barocke Fassaden und dessen Kuppel „wiedererstehen“ sollen, dessen weitgehend verlorener Skulpturenschmuck von Künstlern „restauriert“ wird, würde ich ein weiteres, vermintes Feld betreten. So erspare ich Ihnen bittere oder ironische Kommentare und äußere mich auch nicht, wie unlängst wieder die FAZ, zum eigenwilligen Verfahren oder gar zum Wettbewerbssieger. Aber allein mit guten Argumenten wird man solche Probleme offensichtlich nicht los.

Die eben angedeutete Begriffsverwirrung ist auch für die Sache der Restauratoren schädlich. Die Unschärfe beim Gebrauch der Begriffe „Restaurieren“, „historisch“, „Wiederaufbau“ und leider auch der Berufsbezeichnung „Restaurator“, macht das Fischen im Trüben leichter. Wenn diese Unschärfe im Gespräch mit Menschen aller Berufe zu beobachten ist, auch solcher die gemeinhin auf ihre Sprache und ihre Begrifflichkeit achten, bedeutet dies doch, dass das was Sie hier im Saal unter Restaurieren verstehen nicht dem Sprachgebrauch entspricht. Die weit verbreitete Begriffsüberdehnung und deren für die „Sachen“ schädliche Folgen durch geduldige Aufklärung abzustellen, bleibt eine vorrangige Aufgabe. Diese kann nicht allein von Ihnen geschultert werden. Sie müsste, so meine fast tägliche Erfahrung, in den Redaktionen der Tageszeitungen beginnen.
Da es immer wieder gelingt, vernünftige Maßnahmen durchzuführen, kommt sehr viel auf deren Vermittlung an. Wenn aber Schloß-, Kirchen- und Stadtführer nicht von Ihnen mit Argumenten muniti-oniert werden, wird das Unverständnis der nichtinitiierten Besucher, und das ist nun mal die große Mehrheit, Ihnen die Arbeit erschweren und den Sachen schaden. Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit sind keine Selbstläufer.

Das angedeutete terminologische Problem hat noch eine weitere Dimension. Die Geschichte der Restaurierung, etwa von gotischen Wandmalereien, ist auch eine Geschichte von deren Zerstörung durch alle am jeweiligen Verfahren Beteiligten, darunter auch den ausführenden Restauratoren. Diese Hypothek lastet schwer auf all denen, die heute mit sehr viel feineren und viel zuverlässigeren Methoden, mit Behutsamkeit, auch Selbstkritik eine Restaurierung vorbereiten und vielleicht auch durchführen. Die Aufarbeitung der oft dramatischen Geschichte der Restaurierung hat große Fortschritte gemacht. Die Trennung von euphemistischen verbalen Bekenntnissen der damals Beteiligten, unter denen an vorderster Front Restauratoren tätig waren, vom Ergebnis der Maßnahme, die man heute nicht mehr Restaurierung nennen sollte, ist unverzichtbar. Nur durch genaue Bewertungen wird man sich, auch begrifflich, von einer als schädlich erkannten Praxis distanzieren können. Relativierende Anführungsstriche werden nur von denen verstanden, die es eh wissen. Dass die Fehler von damals auch heute immer wieder gemacht werden, ist kein Geheimnis. Aus der Einsicht in die Fehler der Vergangenheit sollten die Verantwortlichen, auch in der Politik, durch den Schutz fachlich hoch qualifizierter Restauratoren Konsequenzen ziehen.

Auch aus der Einsicht heraus, dass unter den Entscheidungsträgern in den Museen und der Denkmal-pflege vor allem Kunsthistoriker und Architekten tätig sind, werden in den meisten kunsthistorischen Instituten der Universitäten auch Angebote zu Fragen der Restaurierung von Kunstwerken gemacht. Diese Aufgaben werden meist im Rahmen der miserabel oder gar nicht honorierten Lehraufträge durch beamtete oder angestellte Restauratoren wahrgenommen. Ähnliches gilt für Lehrangebote zu Themen der Denkmalpflege. Diese Verbreiterung der Inhalte im Rahmen der curricula zukünftiger Kunsthistoriker und Architekten ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und dennoch: Könnte derzeit bei den Studierenden nicht der Eindruck entstehen, es handle sich beim Restaurieren oder der Denkmalpflege um doch letztlich eher marginale Tätigkeiten? Kann also nur das, was in Vorlesungen und Seminaren von hauptamtlich angestellen Lehrkräften (eben den „Wissenschaftlern“) thematisiert wird, den Anspruch erheben, wissenswert zu sein? Hier müssen wir Lehrende uns an die eigene Nase fassen und uns fragen, wie weit wir im Unterricht der Verantwortung für das Wohlergehen der Gegenstände unserer Forschungen entsprochen haben oder entsprechen wollen und ob nicht das traurige Schicksal vieler „Sachen“ auch eine Folge von der „Sache“ fernen Fragestellungen ist.

Das bei juristischen Auseinandersetzungen nachzuweisende „öffentliche Interesse“ wird in der Regel durch Forschungen und insbesondere durch Veröffentlichungen nachgewiesen. Eine Konzentration auf „Hauptwerke“ fördert nicht die Erhaltung und Pflege von deren kostbarem Umfeld. Die Marginalisierung innerhalb der Kunstgeschichte von Themen wie Bauschmuck, Farbigkeit und die fast völlige Verdrän-gung der das Bauwerk nun einmal prägenden Restaurierungsgeschichte, scheint, etwa bei der Erforschung der Baukunst der italienischen Renaissance, derzeit kaum korrigierbar. Es genügt, die jüngsten Bücher verdienter Forscher aufzuschlagen. Dabei handelt es sich bei den übergangenen meist um integrierende Elemente eines Bauwerks, mit denen Restauratoren konfrontiert werden oder konfrontiert werden müssten, die aber in einer, wie man sagt, „ordentlichen“ Baugeschichte nur selten vorkommen.

So sei kurz an das Werk des Andrea Palladio erinnert. In ernst zu nehmenden Monographien werden Veränderungen seiner Bauten bis ins 19. Jahrhundert erwähnt, die des 20. Jahrhunderts, die oft min-destens so gravierend sind, kaum je. Verändert wurden im letzten Jahrhundert besonders häufig die Oberflächen, somit auch die Farbigkeit. Neue, viel zu dicke Verputze von Säulen und Wandflächen, etwa des Pal. Porto Festa in Vicenza, beleidigen post mortem den Architekten und heute den, der Augen zum Sehen hat. Wird eine Instandsetzungsmaßnahme wie bei zwei Fassaden des Pal. Thiene in der gleichen Stadt durch Bauforscher und Restauratoren vorbereitet, sind die Ergebnisse wesentlich besser. Kluge, am Konservieren des Bestands ausgerichtete Instandsetzungen wie die der Fassaden des Pal. Barbaran da Porto, – auch dieser in Vicenza – , werden von der Palladioforschung (also von Bauhistorikern) kaum je von denen unterschieden, bei denen die Oberflächen tief greifend verwandelt, ja verschandelt wurden. Das müsste nicht so sein. Die Modellrestaurierung des im 16. Jahrhundert opulent ausgemalten Pal. Grimani in Venedig zeigt, was die Denkmalpflege, in diesem Fall die venezianische, zu leisten imstande ist. Diese Spannung zwischen Gelingen und Versagen beim Umgang mit weltberühmten Bauwerken wirft ein Licht auf die Divergenzen zwischen kompetentem und inkompetentem Handeln sowie die diese Ergebnisse generierenden Interessenkonflikte. Sie belegt, dass die uns beschäftigende Problematik fachlich unzureichender Eingriffe ein globales Problem, auch für die Wissenschaft geworden ist. Wegsehen macht dabei die Fehler nicht ungeschehen, man schläft höchstens besser.

Unterdessen sind Fachgespräche zwischen Restauratoren (Restaurierungswissenschaftlern) und Kunsthistorikern in den Museen wohl eine Selbstverständlichkeit geworden. Nicht nur in der Gewebekunde sind die Forschungen der Restauratoren unverzichtbar. Das Rembrandt-Research-Project ist weit über die Kunstgeschichte hinaus bekannt. Die oftmals hohe Qualität der Erforschung der Objekte, – als „Verwissenschaftlichung“ beklagt oder begrüßt – , hat zu Untersuchungsberichten geführt, die auf das Essentielle und Vermittelbare verknappt, in die Bestandskataloge der Museen gehören. Die Ergebnisse restauratorischer Untersuchungen sollten von den Museen und Denkmalämtern nicht nur auf Anfrage, sondern offensiv Kunsthistorikern zugänglich gemacht werden, damit diese in den kunsthistorischen Diskurs einfließen. Und so fragt man sich bei der morgendlichen Zeitungslektüre, ob die unlängst wieder einmal erfolgreiche Versteigerung gefälschter Bilder bei einer Untersuchung durch kompetente Restauratoren oder spezialisierte Institute nicht doch unterblieben wäre.

Dem Außenstehenden sei zugestanden, Überlegungen vorzutragen, die „Nachbarwissenschaften“ der Restauratoren betreffen. Nicht oft findet man eine so kollegiale Zusammenarbeit wie im Regensburger Domprojekt, das jetzt mit der Veröffentlichung des ersten von fünf Bänden mit den Ergebnissen der historischen Bauforschung, die Manfred Schuller verantwortet, einen triumphalen Beginn gefeiert hat. Disziplinen aber neigen nun einmal dazu, sich erst einmal auf die eigenen Kompetenzen zu verlassen. So glaube ich immer mal wieder eine doch eher geringe Neigung bei Restauratoren gespürt zu haben, etwa mit der historischen Bauforschung, so wie sie Gert Mader für die Denkmalpflege hoffähig gemacht hat, eng zusammen – also nicht nebeneinander her, zu arbeiten. Rühmliche Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel. Diese Beschränkung zeigt sich dem Außenstehenden, auch in der eingeschränkten Themenwahl für Fachpublikationen, die man als Versuch oder Signal der Abschottung missverstehen könnte. Vertreter der historischen Bauforschung verhalten sich oft kaum anders. Gert Mader hat in einem lesenswerten, immer noch gültigen Beitrag unter dem Titel “Der Restaurator in der Bauforschung“, schon 1985 auf der Jahrestagung des „Berufsverbandes freiberuflicher Restauratoren“ die bis dato nicht gelösten, von allzu vielen gar nicht einmal erkannten Probleme bei der Untersuchung von Bauwerken aus seinen reichen Erfahrungen beschrieben. Er hat dabei vor allem auf die wissenschaftlich unzureichenden Ergebnisse von „Befunduntersuchungen“ durch, wie er schreibt, „Befundrestauratoren zweiter Klasse“ verwiesen. Dabei war Maders polemischer Beitrag damals, und ist noch heute, Wasser auf Ihre Mühlen. Mader unterschied in seiner bitteren Bilanz am Bau tätige „Restauratoren“ nicht von „Kirchenmalern“. Diese hatten die Domäne der „Befunduntersuchungen“, nie ernstlich von der Denkmalpflege angefochten, zumindest in Süddeutschland damals fest in ihrer Hand und haben sie vielerorts wohl immer noch. Mader empfahl eine „Ausbildung im Team“ und schloss: „Das Aufgabengebiet der baugeschichtlichen Präzisionsuntersuchung durch hoch qualifizierte Restauratoren und Bauforscher hat ohne Zweifel Zukunft“. Sie können mir sagen, ob diese Zukunft schon begonnen hat. Ich fürchte: nein. Dabei ist die hohe Standards fordernde „historische Bauforschung“ als Disziplin in der letzten Zeit besonders stark mit Selbstzweifeln beschäftigt. Der Bamberger Bauforscher Stefan Breitling hat von einer „mangelnden Akzeptanz“ seiner Disziplin „in der Öffentlichkeit“ gesprochen und meinte damit die Spannung zwischen hohen fachlichen Ansprüchen an die Qualität, den daraus zwangsläufig resultierenden Kosten und der Bereitschaft der Gesellschaft, diese aufzubringen. Breitlings Klage, aber auch die darin enthaltene Forderung dürfte Ihnen vertraut vorkommen und könnte ein weiterer guter Grund sein das Gespräch zu intensivieren.

Die von Mader angesprochenen Defizite und seine berechtigten Forderungen hofften die für das Graduiertenkolleg „Kunstwissenschaft – Bauforschung – Denkmalpflege“ Verantwortlichen nicht vertuscht zu haben. Dies Kolleg war ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Unternehmen, das Lehrende und Studierende der Universität Bamberg und der Technischen Universität Berlin für neun lange Jahre zwang, über das Verbindende nachzudenken und dies, nicht selten vor Ort, zu erkennen und zu vermitteln. Vielleicht haben Sie im Titel des Kollegs den Hinweis auf die Restaurierungswissenschaften vermisst. Dies Fehlen entsprach nicht der Wirklichkeit. Nur zwei Beispiele: An Beispielen aus der mittelalterlichen Skulptur – und so letztlich Taubert folgend – hat Robert Suckale zusammen mit Restauratoren die Rolle und die Bedeutung der Fassungen sowie Methoden der Restaurierung thematisiert. Helmut Reichwald hat bei Exkursionen in Süddeutschland, den Höhepunkten des Jahres, die unausweichlich erscheinenden Mechanismen des gutwilligen Scheiterns, aber auch – und das war beglückend – des Gelingens vorgeführt. Bauten, Bautengruppen, Wandmalereien, Altäre, Skulpturen wurden betrachtet und die Ergebnisse von „Restaurierungen“, – den nur so genannten und den fachlich vernünftigen – , vor dem Hintergrund der Umstände analysiert. Mancher Kollegiat, der Denkmalpfleger werden wollte, hat sich bei diesen Ortsterminen allerdings gefragt, ob er den Anforderungen, die über das, wie man formuliert, „Rein-fachliche“ hinausgehen, überhaupt entsprechen konnte und wollte. Eines aber haben alle begriffen: Ohne eine loyale Zusammenarbeit zwischen Gleichberechtigten, also auch mit Restauratoren, haben die Gegenstände unser aller Bemühungen deutlich geringere Chancen die nächste Zeit unbeschadet zu überstehen. Ähnliches gilt natürlich für die immer häufiger eingerichteten, überaus erfolgreichen Aufbaustudiengänge „Denkmalpflege“.

Der Hinweis auf das Bamberg-Berliner Graduiertenkolleg gibt mir die Möglichkeit, heute noch mehr Eulen nach Athen zu tragen. Sicher sind Sie mit mir überzeugt, dass es in den Museen im Rahmen der wachsenden Zahl von Kursangeboten, es auch solche geben sollte, in denen Kinder und Jugendliche mit der Materialität und der Erhaltungsproblematik der ausgestellten oder magazinierten „Sachen“ vertraut gemacht werden. Es genügt nicht, wenn Kinder der Erklärung von Kunstwerken durch Kunsthistoriker oder Museumspädagogen mehr oder minder gefesselt, lauschen. Warum Jugendliche in die Probleme des Umgangs mit Kunstwerken einführen? Natürlich nicht, um jungen Menschen den Virus des Restauratorenberufs einzupflanzen, sondern um zukünftigen Eigentümern oder Entscheidern – fast beiläufig – die Augen dafür zu öffnen, dass kostbare, dabei hochempfindliche Gegenstände in die Hand qualifizierter Fachleute gehören. Vorbehalte gegen selbsternannte Fachleute gelten ebenso bei Bildern wie bei Möbeln, bei Papierarbeiten oder Materialien wie Porzellan, Glas oder Keramik, Werke, die in den leider nicht immer gut besuchten Kunstgewerbemuseen versammelt sind. Dass auch manchem gestandenen Erwachsenen solche Einführungen nicht schaden würden, ergibt sich aus täglichen Begegnungen.

Wenn ich hier aus dem Nähkästchen plauderte, was ich alles in einem Regierungsbezirk in Bayern erlebt habe, für den ich vier Jahre als doch recht ahnungsloser Gebietsreferent zuständig war, würden Sie dem Gebietsreferenten, zu recht, die Mitschuld an Sachbeschädigungen geben. Gab es aber Erfolge beim Umgang mit den ja nur kurzzeitig zur Pflege uns anvertrauten „Sachen“, so waren es in vielen Fällen die „Amtsrestauratoren“, die durch ihr fachlich fundiertes Urteil und die schützende Begleitung des Novizen Schlimmeres verhütet haben. Die Zuständigkeiten und die Entscheidungsprozesse in den Denkmalämtern, die durch Entscheidungen auf politischer Ebene und hie und da auch durch vorausei-lendes Schweigen der Fachbehörde geschwächt wurden, sind mir schon lange nicht mehr aus alltäg-lichem Erleben und Erleiden vertraut. Nur soviel: Wer als Kunsthistoriker oder Architekt glaubt, eine Restaurierung ohne fachliche Beratung und Begleitung durch Restauratoren zu einem vertretbaren, also vernünftigen, vielleicht sogar zu einem guten Ende zu bringen, hat zumindest viel, ich meine zu viel Selbstvertrauen. Aber auch der kluge Restaurator oder Architekt wird das Gespräch mit Kunsthistorikern suchen, die einen anderen Blick auf die Zusammenhänge haben. Oft bleibt in diffizilen Fällen nur das „non toccare“, das in verfahrenen Situationen viel zu selten von Gutachtern offensiv gegen die Pläne der „Macher“ vertreten wird. So war es in lange zurückliegenden Zeiten meine Hoffnung, dass Gebietsreferenten und Restauratoren in den Denkmalämtern grundsätzlich gemeinsam Restaurierungs- und Instandsetzungsprojekte betreuen könnten. Vermutlich geschieht dies heute häufiger als früher. Sollten sich aber Amtswerkstätten vor allem auf das Restaurieren herausragender Werke konzentrieren, würden sie unerreichbare, viel zu selten finanzierbare „Vorbilder“ für freiberufliche, miteinander um Aufträge konkurrierende Restauratoren auf der „freien Wildbahn“ schaffen. Schliesslich gibt es da ja noch die bereits angesprochenen Ausschreibungen, dazu „angemessene“, von nicht wenigen „Kunden“ aber als hoch, zu hoch empfundene Kostenvoranschläge. Hinzu kommen in der Denkmalpflege das Schwinden oder gar Fehlen von Zuschüssen. Öffentliche Gelder hatten schon immer als „Argumente“ bei Entscheidungen besonderes Gewicht.

Restauratoren konkurrieren bei der Vergabe von Aufträgen nicht nur untereinander, sondern auch mit Anbietern, die, – auch als eine Folge von deren Ausbildung und Fähigkeiten – , andere Maßstäbe an die zu erbringenden Leistungen anlegen und so meist geringere finanzielle Forderungen stellen, stellen können. Zudem sind die Ziele vom Auftraggeber nicht immer so formuliert, dass anspruchsvolles Handeln qualifizierter Spezialisten zwingend notwendig erscheint. Es ist somit notwendig, dass die an den Vergabeverfahren beteiligten, soweit sie mit den fachlichen Aspekten nicht innig vertraut sind, – ja gar nicht vertraut sein können – , durch entsprechende Vorgaben des Gesetzgebers eine faire, die „Sachen“ nicht gefährdende Konkurrenz kompetenter Fachleute ermöglichen. Es geht nicht nur um Ansprüche einer Berufsgruppe, hier der Restauratoren, sondern ebenso um die uns nur auf Zeit anvertrauten „Sachen“. Denkmalschutz und vor allem Denkmalpflege sowie der Schutz mobiler Ge-genstände bei deren Lagerung oder Instandsetzung, nicht nur in den Museen, bleiben, ohne den Berufstitelschutz der Restauratoren, noch immer viel zu oft Wunschdenken.

Am Ende Ihres langen, wohl weiter steinigen Wegs, muss, um der “Sachen” willen, die bundesweite, alle Länder und Kulturhoheiten einschließende formale Anerkennung Ihrer Leistungen und Anstrengungen stehen. Selbstkritik, Bescheidenheit und Einsicht in die eigene Fehlbarkeit sind dabei Teile des Berufsbilds. Der Jurist Wolfgang Eberl, Verfasser eines berühmten Kommentars zum bayerischen Denkmalschutzgesetz, hat in seiner lesenswerten Einleitung „Ideen, Phantasie und Beharrlichkeit“ eingefordert, „um die vielfältigen, und manchmal zunächst kaum lösbar erscheinenden Probleme zu meistern.“ Eberls Forderungen richteten sich an all die, die über den Umgang mit den „Sachen“ Entscheidungen beeinflussen, treffen oder vertreten. Noch einmal Eberl: „Und schließlich kommt es, wie stets, wenn Rechtsgüter der Allgemeinheit vor Eingriffen Einzelner bewahrt werden sollen, auf die Zivilcourage eines jeden an, der mit dem Vollzug einer einschlägigen gesetzlichen Bestimmung befasst ist“. Eberl warnte vor Eingriffen, die „Sachen“ Schaden zufügen, zu denen ganz besonders fachlich nicht vertretbare Maßnahmen gehören. Der Titelschutz des Restauratorenberufs durch couragiertes Handeln der Politik wäre der lang erhoffte Quantensprung bei Schutz und Pflege der uns treuhänderisch überlassenen „Sachen“.