„Selbstbewusst Gesicht zeigen“

Liebe Mitglieder unseres Verbandes, vielen Dank für das große Vertrauen, das mir durch die Wahl und das Wahlergebnis entgegengebracht wird. Ich freue mich, die als Vizepräsident in den letzten Jahren […]

Liebe Mitglieder unseres Verbandes,
vielen Dank für das große Vertrauen, das mir durch die Wahl und das Wahlergebnis entgegengebracht wird. Ich freue mich, die als Vizepräsident in den letzten Jahren begonnene Arbeit nun als Präsident mit einem jungen Team im Präsidium fortsetzen zu können. Unser Berufsstand hat das Glück, oft mit wunderschönen Dingen als Arbeitsgegenstand umgehen zu dürfen, – ein Privileg, um das uns viele Menschen beneiden ...

Wir sind uns dieses Vorzugs und der damit einhergehenden Verantwortung bewusst. Seltener jedoch spiegelt sich das bisher nach außen. Viele Kolleginnen und Kollegen haben die Bescheidenheit und Selbsthinterfragung, die in der Restaurierung so hilfreich sind, auch in der Darstellung ihrer Arbeit verinnerlicht. Das ist nobel, lässt aber manchmal den Beruf kleiner erscheinen als er ist.

Eine meist stille und in der Sache dienende Arbeit gehört heute kaum zum in der Medienwelt Beachteten. Selbstverständlich weiß ich um die Vorteile, die ein ruhiges, kontinuierliches Arbeiten mit sich bringt. Wir haben es nicht nötig, in einen Wettbewerb der lauthals vorgetragenen Behauptungen einzusteigen. Restauratoren maßen sich in aller Regel nichts an, – viel eher und öfter zweifeln sie an ihren in Wirklichkeit tatsächlich vorhandenen Fähigkeiten und Kompetenzen.

"Wir tun mehr, als im stillen Kämmerlein zu werkeln"

Das alles in Betracht gezogen meine ich, dass Restauratorinnen und Restauratoren mehr Gesicht zeigen können und sollen. Wir tun mehr und anderes, als im stillen Kämmerlein nach Altvätersitte zu werkeln, egal auf welche unserer vielen Fachrichtungen wir uns spezialisiert haben. Geht man durch eine Ausstellung wie die gegenwärtig in Berlin laufende „Von Hockney bis Holbein“, ist man beeindruckt vom exzellenten Erhaltungszustand fast aller Exponate. Die Besucher spüren nur unterschwellig, welcher Aufwand und welche Qualität hier wirken – Wie arm wäre jedoch unsere Kunstlandschaft, fehlte diese hohe, oft für selbstverständlich genommene Kultur der Konservierung und Restaurierung ...

Restauratorinnen und Restauratoren stehen ihre Frau bzw. ihren Mann als fachlich unabhängige, eigenverantwortlich im öffentlichen Interesse tätige, sich weiterbildende und oft selbständig forschende Fachleute. Sie übernehmen oft genug Personalverantwortung in Museen, lehren an Hochschulen, managen die Erhaltung von Denkmalen in den Bundesländern u.a. Oder sie arbeiten als Freiberufler selbständig, führen eigene Firmen.

Dass Restauratorinnen und Restauratoren oft überdurchschnittlich geschickte Hände haben und diese zum Wohl der anvertrauten Werke nutzen, ist das, was von ihnen, – genau wie von jedem Chirurgen, Orthopäden oder Zahnarzt, um nur Beispiele zu nennen, – erwartet wird. Wehren wir uns dagegen, wenn die beneidenswerte Kombination von klugem Kopf, hoher Motivation und manueller Fertigkeit zu oft noch dazu missbraucht wird, um unsere Hochschulabsolventen vom Gehalt weit unter Niveau einzustufen! Wenn jemand sein hochspezielles Wissen auch noch praktisch umsetzen kann, ist das eine zusätzliche besondere Qualifikation und kein Herunterstufungsgrund.

Konzepte gegen Benachteiligung entwickeln

Mir ist bewusst, dass inzwischen rund 90 Prozent unserer Absolventen Frauen sind. Wo wir bemerken sollten, dass Benachteiligung durch zu niedrige Einstufungen, zu geringe Honorare auf dem freien Markt System hat, ist das deutlich auf allen Ebenen anzusprechen.

Es sind Konzepte gegen Benachteiligung zu entwickeln, die im selben Maße auch Konzepte gegen das Unterlaufen von Kompetenz- und Qualitätsrichtlinien sind. Das dient dem Verbraucherschutz und hier setzt der Berufstitelschutz an erster Stelle an. Es liegt gar nicht in unserer Hand zu entscheiden, ob wir da weiter machen möchten oder nicht: Die Politik in den Ländern kommt zu uns und fordert uns auf, unsere Gesetzesinitiativen voranzubringen. Denn was als Berufstitelschutz für Restauratoren inzwischen in zwei Bundesländern Gesetzeskraft hat, lässt sich aus Sicht der übrigen Länder gar nicht mehr vom Tisch wischen.

"Verkaufen wir unsere Leistungen nicht unter Wert"

Die andere - und vom Berufspolitischen nicht zu trennende Seite - unseres Engagements ist das Fachliche, sind unsere Tagungen, Seminare und Exkursionen. Hier bilden sich die meisten unserer Mitglieder regelmäßig weiter. Unsere Veranstaltungen sind auch von Vertretern benachbarter Disziplinen stark nachgefragt – können sie doch hier in Erfahrung bringen, was „die Kunst im Innersten zusammenhält“. Auch hier, finde ich, gilt: Verkaufen wir unsere Leistungen nicht unter Wert. Beschränken wir uns nicht immer nur auf das „Wie habe ich das gemacht“ sondern sprechen wir noch öfter selbstbewusst aus, was ohnehin stets als Subtext mitläuft: Warum tue ich dies und lasse etwas anderes und was macht das mit dem Kunstwerk, welche genuin durch die Konservierung und Restaurierung gewonnenen Erkenntnisse haben (kunst-)historische, naturwissenschaftliche, aber auch ethische, vielleicht sogar philosophische Konsequenzen?

Verstehen Sie mich bitte richtig: Der VDR möchte weiter auch eine Heimat für alldiejenigen Kolleginnen und Kollegen sein, die vielleicht nichts weiter möchten (und wie viel ist das!), als solide und in Ruhe ihre restauratorischen Aufgaben zu erfüllen und allein ihre Leistungen für sich sprechen zu lassen. So ein Anspruch erfreut sich bei uns höchster Wertschätzung. Er ist aber auch schutzbedürftig! Wenn wir uns nämlich alle nur allein darauf beschränken wollten, kämen wir als Berufsstand insgesamt unter den gegebenen politischen Rahmenbedingungen früher oder später unter die Räder. Leider ist das so in Zeiten des Lobbyismus und der Dominanz der Medien.

VDR-Publikationen sind in einer Umbruchphase der Modernisierung

Ich möchte daher unsere Publikationen nicht vergessen. Wir befinden uns, wie sich herumgesprochen hat, in  einer Umbruchphase der Modernisierung und des Ausbaus. Die Website erweitert sich im Augenblick mit dem Ziel des Wissens- und Erfahrungsaustauschs um neue Plattformen, wie VDR-Wissen und VDR-Forum. Der Newsletter versorgt uns monatlich stichpunktartig zuverlässig mit dem Neuesten. Die Zeitschrift „Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut“ wird ab nächstem Jahr wirtschaftlich neu aufgestellt wieder in bewährter fachlicher Qualität, dabei nun in überwiegend digitaler Erscheinungsform jedem Mitglied zur Verfügung gestellt, jedoch auch in einer auf Wunsch kostenpflichtig zu beziehenden gedruckten Teilauflage. Mittelfristig möchten wir das Angebot um eine kostenlose Mitgliederzeitschrift erweitern. Wir versprechen uns dadurch eine engere Mitgliederbindung, aber auch eine verständlichere Außendarstellung unserer Anliegen.

In diese Richtung zielt auch der gewünschte Preis für Konservierung-Restaurierung in Zusammenarbeit mit dem Freundeskreis Konservierung-Restaurierung: Ein Desiderat aus über 40 Jahren Berufsentwicklung in diesem Land. Sehen wir zu, dass es uns gelingt, potente Unterstützer zu überzeugen, um diesen in den nächsten Jahren entscheidend voran zu bringen!

Freude am Umgang mit unwiederbringlichen Kunst- und Kulturgütern pflegen

Die Koordination all dieser Aufgaben liegt in den bewährten Händen unserer Geschäftsstelle in Bonn mit unserer Geschäftsführerin Katharina Trifterer und den inzwischen vertrauten, ebenso, wie gerade aktuell als Elternzeitvertreterinnen gewonnenen, neuen Mitarbeiterinnen. Ihnen, aber v.a. auch allen Ehrenamtlichen möchte ich ins Gewissen rufen, sich selbst und sich gegenseitig vor Überlastungen zu schützen. „Der Laden muss laufen“, sicher, aber niemand von uns sollte sich aufreiben und überfordern. Das ist nicht das Ziel unseres Tuns. Sinn ist vielmehr, die Freude am Umgang und Erhalten mit unwiederbringlichen Kunst- und Kulturgütern zu pflegen und zu leben. An dieser Stelle muss das Ehrenamt wieder Ehrenamt und mit dem Leben der es Ausübenden vereinbar werden.

Zeigen wir selbstbewusst Gesicht! Das wünsche ich mir für die kommenden Jahre. Ermöglichen Sie es, dass der Verband dabei eine tragende Rolle spielt! Ich danke allen mit Bewunderung, die in den letzten Jahren und zukünftig im VDR mit Leidenschaft und Phantasie anpacken. Sie sind es, die machen, wenn es heißt „Der VDR müsste ...“. Ich freue mich auf eine gute und spannende gemeinsame Zeit!

Jan Raue

Prof. Dr. Jan Raue
Prof. Dr. Jan Raue

Zur Person:
Jan Raue studierte Restaurierung von Wandmalerei und Architekturoberflächen in Dresden, unterbrochen für zwei Jahre Anstellung bei Hans-Michael Hangleiter bei Frankfurt/Main, Restaurierung u.a. an der Torhalle von Lorsch. Diplom HfBK Dresden 1992 mit Freilegung und Konservierung einer Kreuzigungsmalerei im ehem. Zisterzienserkloster Chorin. Postgraduales Studium der Kunstgeschichte (City Planning in the Middle Ages) am Courtauld Institute in London. Insgesamt zwei Jahre Anstellung am Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege. Seit 1996 selbständig und vorwiegend in Berlin und Brandenburg tätig. Seit Oktober 2017 Professur im Fachbereich Stadt, Bau, Kultur als Professor für Restaurierung und Konservierung von Wandmalerei an der Fachhochschule Potsdam.

Interessenschwerpunkt Farbigkeit der mittelalterlichen Backsteinarchitektur Nordostdeutschlands, zu diesem Thema Promotion HfBK Dresden 2007. Mitarbeit bei vier DBU-Forschungsprojekten, u.a. zu Pigmentumwandlungen in der Wandmalerei. Mitorganisation von Tagungen, u.a. zum Neuen Museum und zum Berliner Totentanz, hierzu wie auch zu denkmal- und restaurierungsethischen Fragen Publikationen. Mitglied bei ICOMOS. Von 2008-13 Vorsitzender der FG Wandmalerei und Architekturoberflächen im VDR, 2013-15 Vizepräsident des VDR. Seit Oktober 2015 Präsident des VDR.