Dr. Rudolf Wackernagel 1933-2017 – ein Nachruf von Angela Hückel

Rudolf Wackernagel, geboren am 21.02.1933 starb an seinem Geburtstag, dem 21.02.2017. Er wurde 84 Jahre alt. Er verließ uns unerwartet. Umso mehr werden wir uns an ihn erinnern: an den […]

Rudolf Wackernagel, geboren am 21.02.1933 starb an seinem Geburtstag, dem 21.02.2017.
Er wurde 84 Jahre alt. Er verließ uns unerwartet.

Umso mehr werden wir uns an ihn erinnern: an den Restaurator und Leiter verschiedener Restaurierungswerkstätten, an den Freund und Förderer seiner Mitarbeiter, den stets an den Kunstereignissen und kulturellen Entwicklungen in München, Deutschland und der Welt Interessierten. Seine umfangreichen Sprachkenntnisse und sein großer in- und ausländischer Freundeskreis machten ihn zu einem Europäer im besten Sinn.

Dr. Rudolf Wackernagel. Foto: privat
Dr. Rudolf Wackernagel. Foto: privat

Sein Studium der Kunstgeschichte und Archäologie an den Universitäten von Basel und München beendete er mit der Dissertation „Der Französische Krönungswagen von 1696-1825“, Berlin 1966. Daran schloss er, nach einem Restaurierungspraktikum am Kunstmuseum Basel,  die Ausbildung zum Gemälderestaurator an den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München von 1963 bis 1966 an sowie 1967 noch ein Praktikum am Institut Royal du Patrimoine Artistique in Brüssel. Nach vier Jahren als Hauptrestaurator am Niedersächsischen Landesmuseum in Hannover übernahm er 1972 die Leitung der Restaurierungswerkstätten im Bayerischen Nationalmuseum, wechselte 1979 zum Münchner Stadtmuseum und leitete ab 1986 bis zu seiner Pensionierung die Restaurierungsabteilung der Städtischen Galerie im Lenbachhaus München. Während der Zeit am Lenbachhaus erforschte und dokumentierte er die Maltechniken Wassily Kandinskys und veröffentlichte die Ergebnisse seiner Arbeit.  Als Beispiel sei hier genannt:  „Ich werde die Leute ... in Öl und Tempera beschwindeln ... neues zur Maltechnik Wassily Kandinskys“ in der Zeitschrift für Kunsttechnologie und Konservierung, 11,1, 1997, S. 97ff.

Neben seinem Engagement für die Restaurierungs- und Konservierungsaufgaben in den Museen galt sein Interesse immer auch  der Kunst- und Kulturgeschichte. Davon zeugen zahlreiche Aufsätze, Katalogbeiträge und Vorträge sowie die zwei herausragenden Bände „Staats- und Galawagen der Wittelsbacher“, Stuttgart 2002, die er nach seiner Pensionierung als Herausgeber und Autor nach ausgedehnten Recherchen zusammen mit Kollegen veröffentlichte. Er war ein international anerkannter Kunsthistoriker im Bereich der Geschichte von Kutschen und Prunkwagen. Darüber hinaus betreute er im Bayerischen Nationalmuseum und im Münchner Stadtmuseum als Konservator die Sammlung der historischen Waffen und Rüstungen.

Meine erste Begegnung mit ihm war 1974 im Bayerischen Nationalmuseum. Im Zusammenhang mit der „Max Emanuel Ausstellung“ lernte ich unter seiner Leitung Museumsarbeit und Ausstellungsvorbereitung kennen.  Ab 1980 arbeitete ich als Gemälderestauratorin und als seine Stellvertreterin in den Restaurierungswerkstätten des Münchner  Stadtmuseums. In diesen Jahren konnte ich miterleben, wie er mit großer Sorgfalt und persönlichem Einsatz die Restaurierungswerkstätten entsprechend technischer, konservatorischer und restauratorischer Vorgaben neu einrichtete und organisierte. Immer gelang es ihm, Direktion und Verwaltung zu überzeugen, finanzielle Mittel zum Ausbau der Werkstätten sowie zur Förderung und Weiterbildung seiner Mitarbeiter, die er in jeder Weise unterstützte, zur Verfügung zu stellen, was damals überhaupt noch nicht selbstverständlich war. Ein Etat, den er durchsetzten konnte, aus dem freiberufliche Restauratoren und Praktikanten bezahlt wurden, ermöglichte die Durchführung größerer Restaurierungsprojekte, öffnete die Werkstätten nach außen und bereicherte unser Wissen. Auch für die Geschäftsstelle des Deutschen Restauratoren Verbands, die damals noch ehrenamtlich geführt wurde, fand er einen Platz in der Werkstatt.

Das exzessive Ausstellungsprogramm der 80er Jahre im Münchner Stadtmuseum stellte uns vor neue und vielfältige Aufgaben. Rudolf Wackernagel setzte sich unermüdlich dafür ein, dass konservatorische Richtlinien von Direktion und Ausstellungsmachern berücksichtigt wurden, zu dieser Zeit keine leichte Aufgabe. Als das schon vor dem Zweiten Weltkrieg eingerichtete, umfangreiche aber völlig veraltete Depot des Münchner Stadtmuseums 1982 geräumt werden musste, übernahm er die Suche nach einem neuen Standort, die Planung des Umzugs der vielen, unterschiedlichen Objekte sowie die Organisation und Einrichtung eines neuen Depots. Fragen nach geeigneten Klimabedingungen, Regalsystemen und Transportmöglichkeiten mussten gelöst,  ca. 400.000 Objekte aus den verschiedenen Sammlungsbereichen des Museums neu geordnet und zum Teil konservatorisch  behandelt werden. Eine große Aufgabe, die Rudolf Wackernagel neben den Tagesgeschäften bewältigte. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt seiner intensiven Arbeit am Münchner Stadtmuseum.

Er war mir ein großes Vorbild, und ich bin dankbar für alles, was ich von ihm lernen durfte – es war ungeheuer viel: fachlich und menschlich. Sein Engagement für konservatorische Belange trug wesentlich zur Entwicklung unseres Berufes bei, besonders beeindruckend waren sein Enthusiasmus, seine fast jugendliche Neugier auf kulturelle Veränderungen und technische Entwicklungen, sein Talent zu Freundschaften und seine vorbehaltlose Wertschätzung von Frauen und deren fachlichen Leistungen. Er war eine außergewöhnliche Persönlichkeit.
Angela Hückel, im April 2017