„Wehret den Anfängen“. Ein Rundgang mit Stih und Schnock durch das Bayerische Viertel, Berlin

Am 23.06.2018 lud die Fachgruppe Moderne und Zeitgenössische Kunst im Rahmen des 3. Lektüretreffens zu einem Ausflug in den städtischen Raum ein – zum Rundgang mit den Künstlern Renata Stih […]

Am 23.06.2018 lud die Fachgruppe Moderne und Zeitgenössische Kunst im Rahmen des 3. Lektüretreffens zu einem Ausflug in den städtischen Raum ein – zum Rundgang mit den Künstlern Renata Stih und Frieder Schnock durch das Bayerische Viertel in Berlin.

3. Lektüretreffen der Fachgruppe MZK, VDR, am 23.06.2018 in Berlin. Die Fachgruppe MZK mit dem Künstlerduo Stih und Schnock vor eine ihrer Tafeln in der Haberlandstraße, Bayerisches Viertel. Foto: Frieder Schnock.
3. Lektüretreffen der Fachgruppe MZK, VDR, am 23.06.2018 in Berlin. Die Fachgruppe MZK mit dem Künstlerduo Stih und Schnock vor eine ihrer Tafeln in der Haberlandstraße, Bayerisches Viertel. Foto: Frieder Schnock.
Abb. 2: Renata Stih erklärt den Teilnehmer*innen die Grundrisskarte. Die Stadtpläne von 1933 und           1993 wurden von Stih und Schnock für ihre Arbeit „Places of Remembrance/Orte des Erinnerns“ übereinander gelagert. Foto: Eva Rieß
Abb. 2: Renata Stih erklärt den Teilnehmer*innen die Grundrisskarte. Die Stadtpläne von 1933 und 1993 wurden von Stih und Schnock für ihre Arbeit „Places of Remembrance/Orte des Erinnerns“ übereinander gelagert. Foto: Eva Rieß

Stih und Schnock stellen uns ihre 1993 entstandene Arbeit „Places of Remembrance/Orte des Erinnerns“ vor, die sich im Zuständigkeitsbereich des Berliner Senates befindet. Das am 11. Juni 1993 eingeweihte dezentrale Flächendenkmal thematisiert die Entrechtung, Vertreibung, Deportation und Ermordung von Berliner Juden in den Jahren 1933 bis 1945 im Bayerischen Viertel im Stadtteil Schöneberg – wo auch Albert Einstein, Hannah Arendt und Gisele Freund lebten.

Die Arbeit „Places of Rembrance/Orte des Erinnerns“ besteht aus 80 Schildern, die mit 3 Meter Unterkante an Laternenmasten befestigt wurden. Diese Schilder sind so positioniert, dass sie sich auf das aktuelle Leben an den jeweiligen Positionen beziehen und damit zu einer Interaktion mit den Bewohnern des Viertels aufrufen. Die ursprünglich im Siebdruckverfahren von den Künstlern noch eigenhändig bedruckten Metallschilder sind doppelseitig mit jeweils einer Bild- und Textseite gestaltet. Während die Bildseiten in Form von bildlichen Piktogrammen Gegenstände des Alltags zitieren,  dokumentieren die rückwärtigen Textseiten kommentarlos Gesetze und Verordnungen, mit denen die Entrechtung der Juden in Deutschland betrieben wurde.

Renata Stih und Frieder Schnock berichten von den Herausforderungen mit der praktischen Pflege und Wartung der Arbeit, um die sie sich bislang selbst kümmern: von der Außenbewitterung bis hin zu verwilderten Baumscheiben und herabhängenden Ästen, welche den Blick auf die Tafeln versperren. Im angeregten Gespräch mit den Teilnehmerinnen werden Fragestellungen zu Zuständigkeiten und dem restauratorischen Umgang mit Kunst im öffentlichen Raum sowie Möglichkeiten des Monitorings und der Wartung/Pflege diskutiert. Anhand von mitgebrachten Beispielen aus ihrem Materialarchiv erfährt die Gruppe interessante Einblicke in die Arbeitstechnik des Künstlerduos sowie wiederkehrende Schadensbilder der Außenskulptur. Im Gespräch wird  von den Künstlern wiederholt die aufklärerische Funktion des Werkes im Sinne des Erinnerns und Vermittelns betont und thematisiert. Die restauratorische Pflege und angemessene Präsentation der Arbeit als Werkzeuge der Sichtbarmachung für den öffentlichen Raum und seiner Bewohner ist Teil davon. „Wehret den Anfängen“ mahnt Renata Stih. Vor dem Hintergrund aktueller politischer Verschiebungen hallt der Satz noch lange nach.

Text: Eva Rieß und Carolin Bohlmann